: Belgrad warnt vor Ökokatastrophe
■ Weiter Nato-Angriffe gegen chemische Anlagen in Jugoslawien. Berichte über Giftgas in der Luft und Ölteppich auf der Donau
Die andauernden Nato-Luftangriffe auf chemische Fabriken gefährden offenbar immer stärker Bevölkerung und Umwelt in Jugoslawien. Die Regierung in Belgrad warnte nach den Attacken auf Firmenkomplexe in Pancevo bei Belgrad und Novi Sad am Sonntag vor einer möglichen ökologischen Katastrophe „großen Ausmaßes“. Nach Angaben des serbischen Umweltministeriums lief Öl in die Donau, wo es einen 20 Kilometer langen Ölteppich bildete.
Die Financial Times zitiert den serbischen Umweltminister Dragoljub Jerovic mit den Worten: „Wir haben das Leben in der Donau zerstört.“ Große Mengen einer krebserregenden Chlorverbindung seien in den Fluß gelangt.
In Pancevo, 20 Kilometer nordöstlich von Belgrad, drohen nach Meldungen jugoslawischer Medien Vergiftungen für die 140.000 Einwohner, nachdem die dortige Industriezone bombardiert wurde. Angriffe auf das Werk Petrohemija haben eine Wolke von Ammoniak und anderen hochgiftigen Produkten freigesetzt. Der Arzt und Toxikologe Slobodan Kosovic warnte vor einem Umweltrisiko „auch für Kroatien, Rumänien, Bulgarien und Ungarn“. Nach Angaben von Pancevos Bürgermeister Srdjan Mirkovic hat die Nato gezielt die Stickstoffabrik im Ort angegriffen. Nur dank des günstigen Windes seien deren „Giftgase“ nicht direkt über die Stadt gezogen, Feuerwehrleute und Arbeiter seien wegen Vergiftungen ärztlich behandelt worden. Nach Berichten von Anwohnern hing am Sonntag ein übler Geruch über der Stadt, noch in Belgrad roch die Luft nach Chlor. Die Messungen hätten zwar gezeigt, daß die Grenzwerte nicht erreicht würden. Die Bewohner wurden trotzdem aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben, Busse stünden zur möglichen Evakuierung bereit.
Ein Angriff auf eine andere Chemiefabrik bei Belgrad, die Prva-Iskra-Fabrik in Baric, würde nach Meinung der serbischen Behörden ebenfalls zu einer Katastrophe führen. Der für Gesundheitsfragen zuständige Beamte Slobodan Tosovic erklärte vor Journalisten, in der Anlage würden Chemikalien für Waschmittel hergestellt. Derzeit befänden sich 180 Tonnen hochgiftiger Stoffe in den Tanks. Bei einem Angriff könnten Gase entweichen, die im Umkreis von 30 Kilometern tödlich und im Umkreis von 100 Kilometern stark gesundheitsgefährdend seien, sagte Todovic. Es gebe keine Möglichkeit, die Tanks zu leeren oder die Bevölkerung zu evakuieren – deshalb werde die Fabrik mit Flutlicht hell erleuchtet, damit sie für Nato-Piloten leicht zu erkennen und zu vermeiden sei. taz/dpa/AP
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