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Grüne gegen Bodentruppen

■  Bundesvorstand erklärt, Entsendung deutscher Truppen nicht zustimmen zu wollen. Nato sät weiter Verwirrung um Bombardierung von Flüchtlingskonvoi. Kosovo-Grenzen gesperrt

Bonn/Genf/Moskau(AFP/dpa/rtr) – Die Parteispitze der Grünen hat sich entschieden gegen einen Einsatz von Bodentruppen im Kosovo-Krieg ausgesprochen. „Wir würden der Entsendung deutscher Einheiten im Rahmen eines solchen Einsatzes nicht zustimmen“, hieß es in einer gestern in Berlin einstimmig verabschiedeten Erklärung des Bundesvorstandes.

An der Diskussion um einen Einsatz von Bodentruppen sei vor allem beunruhigend, daß einer militärischen Eskalation das Wort geredet werde, „ohne klar darzulegen, welchem politischen Ziel dieser Einsatz dienen soll“. Zu befürchten sei „ein Hineinschlittern in eine immer dramatischere Logik der militärischen Zuspitzung ohne politischen Ausweg“.

Der Kosovo-Krieg fordert möglicherweise nun ein erstes Opfer in der rot-grünen Koalition. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye legte der Parlamentarischen Staatssekretärin im Umweltministerium, Gila Altmann (Grüne), wegen ihrer Ablehnung der Nato-Angriffe auf Jugoslawien den Rücktritt nahe. Es gebe in dieser Frage eine völlige Übereinstimmung im Kabinett, sagte Heye gestern in Berlin. „Wenn sie das nicht mittragen kann, ist es an ihr, die sinnvollen Konsequenzen zu ziehen.“ Altmann hatte einen Appell linker Grüner mit der Forderung unterschrieben, den „Nato-Angriffskrieg“ sofort zu beenden.

Grünen-Sprecherin Gunda Röstel lehnte Heyes Forderung gestern ab, kritisierte Altmann aber mit den Worten: „Es sollte nicht Handlungsgrundlage werden, daß Regierungsmitglieder Initiativen stützen, die dem Regierungshandeln entgegenstehen.“

Die Nato erklärte gestern auf ihrer täglichen Pressekonferenz in Brüssel, die Angriffe auf Jugoslawien könnten noch ein bis zwei Monate andauern, bis sie ihr Ziel erreichten. Nach Angaben von US-General Daniel Leaf haben Nato-Kampfflugzeuge am vergangenen Mittwoch Angriffe auf zwei Konvois geflogen und mit lasergelenkten Bomben beschossen. Dabei könne es Opfer unter der Zivilbevölkerung gegeben haben. Ein Beobachtungsflugzeug habe zivile und militärische Fahrzeuge in einem Konvoi ausgemacht, sagte Leaf weiter. Die jugoslawische Armee habe aber genug Zeit gehabt, die Militärfahrzeuge aus dem Konvoi zu entfernen. Bei dem Vorfall waren nach jugoslawischen Angaben über 60 Menschen getötet worden. Britischen Presseberichten zufolge hat ein britischer Pilot einen US-Piloten zuvor vergeblich gewarnt, in dem Konvoi seien auch zivile Fahrzeuge.

General Guiseppe Marani, der militärische Sprecher der Nato, gab bekannt, daß im Kosovo fünf große Trecks mit zwischen 100.000 und 250.000 Flüchtlingen ausgemacht worden seien.

Jugoslawische Einheiten stoppten gestern Vertriebene an den Grenzen des Kosovo und zwangen sie zur Umkehr. Wer die umkämpfte Provinz noch verlassen wolle, müsse hohe Bestechungsgelder zahlen, berichtete der Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Kris Janowski, in Genf. Bis zum nachmittag kamen laut UNHCR weder in Albanien noch in Makedonien oder der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro Flüchtlinge an.

Der russischen Präsident Boris Jelzin übte gestern erstmals „schwere Kritik“ an Miloevic, weil dieser bisher den Einsatz einer internationalen Friedenstruppe im Kosovo ablehne. Zur westlichen Forderung eines Einlenkens Jugoslawiens sagte Jelzin nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Interfax: „Darauf hoffen sie vergebens.“ Diese Überzeugung habe er auch Bill Clinton mitgeteilt. Dem Westen warf Jelzin vor, er wolle „Jugoslawien zu einem Protektorat“ machen, was Moskau nicht zulassen könne.

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