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Bilder einer Dirne

■ Eine Ausstellung im „Privartmuseum“ dokumentiert „200 Jahre Mythos St. Pauli“

Der Pin-up-Maler Erwin Ross konnte die angeregte Unterhaltung mit seiner Tischnachbarin nicht lange führen. Mit einem energischen Griff um den Arm brachte ihn „privartmuseum“-Chef Claus Becker zum Schweigen. Denn was der Mann, der „seit zehn Jahren im Stadtteil engagiert“ ist, zu sagen hatte, bedurfte der ungeteilten Aufmerksamkeit der eingeladenen JournalistInnen. „Ohne die bemerkenswerten Privatinitiativen, für die das Rathaus nur Schulterklopfen übrig hat“, wäre St. Pauli schon längst der „völligen Verelendung“ anheimgefallen, so Becker.

Anläßlich der Ausstellung „200 Jahre Mythos St. Pauli“ hatte er in sein Museum in der Bernhard-Nocht-Straße 69 geladen. Die anwesenden und an der Ausstellung beteiligten Künstler – Erwin Ross, der Photograph Günter Zint sowie „Rotlichtmaler“ Oliver Hertel – bildeten jedoch nur die Staffage für Beckers Abrechnung mit dem Hamburger Senat. Der behandle den Stadtteil wie „ein Zuhälter seine Dirnen“, zitierte Becker die Spiegel-Journalistin und Buchautorin Ariane Barth. Seit Jahren würden Investitionen verschleppt, ob am „Hans-Albers-Platz, am Spielbudenplatz, am Hafenkrankenhaus oder an der Bowlingbahn“. Die Ausstellung solle deshalb „zum Nachdenken anregen“.

In der Tat wird der Kiez mit einem Charme gezeigt, der sich heute oft nur noch erahnen läßt. Drucke von Zeichnungen aus der Zeit Napoleons sind die ältesten Exponate, ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Photos aus dem Dritten Reich. Gelungen sind auch die Rotlicht-Impressionen Hertels, der nach Gängen durch die Herbertstraße „Momente einer Berührtheit“ auf Leinwand gebannt hat. ruf

Die Ausstellung ist bis noch zum 31. Mai geöffnet

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