: Geld löst das Problem nicht
■ Bremer Gruppe fordert gemeinsam mit silikongeschädigten Frauen Schutz vor Silikonbrustimplantaten / Schadensersatz hilft nicht bei Folgeschäden
Die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Gro Harlem Brundtland, hat jetzt Post aus Bremen bekommen. Auf Initiative der Gruppe „Frauen und Medizin“ haben Bremerinnen direkt an die UN-Gesundheitsorganisation geschrieben, um dort Verbesserungen für ein besonderes Krankheitsfeld zu errreichen. Es geht um Folgeerkrankungen nach Silikonimplantaten. Die WHO, so die Frauen, die sich einer europaweiten Kampagne anschlossen, müsse unnötige Risiken durch Silikon-Brustimplantate verhindern. Ein Not-Nachsorgeprogramm für – meist nach Krebsoperationen – implantierte Frauen sei nötig. Insbesondere sollten zur Vorbeugung weiterer Tumoren spezielle Vorsorgemaßnahmen getroffen werden, da mit üblichen Untersuchungsformen wie Mammografie neue Geschwulste hinter Silikonkissen nicht zu erkennen seien.
„Was wir im Land nicht erreicht haben, muß jetzt auf höchster Ebene angesiedelt werden“, hofft die Bremer Initiatorin der Gruppe „Frauen und Medizin“, Ursula Schielcke. „Es wäre schön, wenn künftig ebensoviel dafür getan würde, die Probleme von silikongeschädigten Frauen zu lösen, wie jahrelang dafür getan wurde, sie zu vertuschen.“ Die Liste der Gesundheitsschäden, mit denen silikon-implantierte Frauen sich herumschlagen, ist lang. Die Verhärtung des Brustgewebes um die Silikoneinlage, die sogenannte Kapselfibrose, ist nur die naheliegendste Folge. Experten haben Ablagerungen des Kunststoffs Silikon in verschiedenen Organen, auch in der Leber, nachgewiesen. Über die Frage, ob Silikon auch diffuse rheumagleiche Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen auslöst, tobt jedoch ein ExpertInnenstreit. Zwar sind MedizinerInnen seit dem Verbot von Silikon für Schönheitsoperationen in den USA 1992 auch in Deutschland zurückhaltender mit dem Stoff geworden. Doch Frauen, denen er implantiert wurde, sei bis heute nicht geholfen worden, so Schielcke. „Mit ein paar Mark Schadenersatz ist es nicht getan.“ Die oft multisystemisch Erkrankten müßten vielmehr als „silikongeschädigt“ anerkannt werden. „Die haben sich doch damals alle darauf verlassen, daß Ärzte ihnen nur einbauen, was harmlos ist, und sind dabei zu Versuchskaninchen geworden.“ Niemand habe geahnt, daß die Hersteller einen Unschädlichkeitsnachweis nicht hätten erbringen müssen. An Langzeitschäden litten sogar Frauen, die sich das Silikon entfernen ließen.
Die einzige Chance, den vielgestaltigen Gesundheitsbeschwerden der betroffenen Frauen wirksam nachzugehen, ist nach Ansicht Schielckes ein bundesweites Referenzzentrum. Dort müßten die Krankenakten und Beschwerden der Patientinnen sorgfältig ausgewertet werden. „Sowas können Selbsthilfegruppen nicht – und vor allem die machen das bislang.“ Auch das ist ein Anliegen an Jo Harlem Brundtland: Sie soll endlich Richtlinien für die Behandlung silikongeschädigter Frauen erlassen. Bislang würde in Patientenfragebögen beispielsweise nach Silikonimplantaten nicht gefragt. „Also denkt auch niemand an einnen solchen Krankheitsauslöser.“ Die Folge seien Fehlbehandlungen – von denen die Mitglieder ihrer Gruppe immer neue Berichte vorlegen. Das Ende der Lawiene, so fürchtet Schielcke, sei noch lange nicht abzusehen. Seit März sind mit Sojaöl gefüllte Brustimplantate, sogenannte Trilucent-Implantate, verboten. Deren Füllung hatte sich zu biologisch aktiven Substanzen abgebaut, deren giftige Bedeutung bisher unklar war, schreibt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. „Ich wette, in Deutschland werden diese Implantate noch eingesetzt“, sagt dazu Schielcke. ede
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