: Ist Deutschland ein Risikoland für Ausländer?
■ Ursula Schörcher, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Zentrale für Tourismus, über Fremdenfeindlichkeit und Tourismus im Osten: Deutschland ist schön und gilt als sicher
taz: Im Osten Deutschlands ist es normal geworden, daß man sich ausländerfeindlich gibt. Die Wahrscheinlichkeit, im Osten überfallen zu werden, soll 25mal höher liegen als im Westen. Schlägt sich dies auf das Reiseverhalten und die Wahl der Reiseziele nieder?
Ursula Schörcher: Nein. Es schlägt sich nicht nieder. In unseren Außenstellen gibt es keinerlei Informationen, daß touristische Rückgänge damit in Verbindung stehen.
Die Medien greifen dieses Thema derzeit nur vereinzelt auf. Und wenn, wie jetzt in Japan, dann positiv, weil wir die doppelte Staatsbürgerschaft diskutieren.
Die Zahlen zum Tourismus im Osten, die Sie jüngst vorgelegt haben, sprechen für dramatische Rückgänge im letzten Jahr. Sachsen-Anhalt hatte ein Minus von über 30 Prozent. Einen echten Zuwachs mit über 17 Prozent verzeichnete eigentlich nur Rügen.
Zu den Zahlen: Ich möchte doch festhalten, daß wir 1998 gegenüber 1997 insgesamt einen Rückgang von 5,8 Prozent hatten. Jetzt, im Januar, hat sich die Tendenz leicht verbessert, auf minus 3,3 Prozent. Aber zu den Gründen: Zunächst hatten wir einen Rückgang der Bauarbeiter aus Polen, aus Italien und auch aus Rußland.
Werden auch Bauarbeiter in der Statistik geführt?
Ja. Und diese Märkte sind zurückgegangen: Polen zu 26 Prozent, Italien zu 32 Prozent, Rußland zu 13 Prozent. Zum zweiten Punkt: Wir haben im Zuge der Konsolidierung mit den neuen Bundesländern etwas weniger Langzeitgeschäftsreisende, die dort etwas aufgebaut haben oder Verbindungen schaffen wollten. Und wir haben natürlich auch einen etwas nachlassenden, gerade aus den Nachbarländern kommenden Schnupper- oder Neugiertourismus. Aber jetzt möchte ich auch etwas Positives sagen: Wir haben einen sehr boomenden Markt, nämlich den der US-Amerikaner. Mit einem Zuwachs von plus 34,6 Prozent 1998 und 232.500 Übernachtungen hat er sich zum zweitgrößten Ausländermarkt für die neuen Bundesländer entwickelt, nach den Niederlanden. Eine sehr ermutigende Tendenz. 10 Millionen Amerikaner haben hier mit ihren Familien seit 1945 einmal gelebt, und sie konnten immer nur bis zur Grenze gucken. Nun wollen sie mal dorthin, wo sie nie hinkonnten.
Verfolgen die ehemaligen Allierten nicht besonders aufmerksam rechtsradikale Tendenzen in diesem Land?
Das ist grundsätzlich richtig. Aber aktuell hat dies keinen Einfluß auf diese zum Teil gravierenden Zahlen.
Gab es in der Vergangenheit touristische Rückgänge, die mit politischen Vorgängen in Verbindung stehen? Daß Deutschland als Risikoland angesehen wurde?
Nein, in dieser Dramatik nicht. Einzelfälle, die ihre Reise nicht angetreten haben, kann ich ja nicht ausschließen, aber die Zuwachsraten, die wir bis 1998 hatten, lassen diese Schlußfolgerung im großen nicht zu.
Ich denke aber doch, daß „nett sein zu Ausländern“ eine Grundvoraussetzung für einen touristischen Standort ist...
Natürlich sind wir eine Nation, in deren Image, ich sage es mal so, Gastfreundlichkeit nicht a priori enthalten ist. Aber unseren Umfragen nach stellen wir fest, daß drei Viertel der europäischen Auslandsreisenden uns für gastfreundlich halten. Vor allen Dingen die Amerikaner zu einem noch höheren Prozentsatz. Wir sind immer strenger mit uns selber, wir Deutsche, als die Ausländer uns wirklich empfinden. Und das kann man ja ruhig einmal festhalten.
Können Sie guten Gewissens sagen, daß reisende Asiaten, etwa Jugendliche, denen man ihre reichen Eltern nicht ansieht, an einem Ort wie Magdeburg wirklich sicher sind?
Das ist fast wie mit dem Fliegen oder mit dem Autofahren. Es gibt ja keine absolute Sicherheit im Leben. Nirgendwo. Aber wir können guten Gewissens die Sicherheit in Deutschland mit in unser ganzes Angebotsspektrum einbinden. Das tun wir übrigens auch. Denn Deutschland gilt nach wie vor als ein sicheres Land. Interview: Christel Burghoff
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