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Robin Hood in Blumenlandschaft

■ Figuren nach der Digitalisierung: Arbeiten von zwölf KünstlerInnen aus Madrid und Berlin im Künstlerhaus Bethanien

Die Städtepartnerschaft gibt es schon seit dem Mauerfall. Zum zehnjährigen Jubiläum sind jetzt künstlerische Arbeiten aus Berlin und Madrid im Künstlerhaus Bethanien zu sehen, nachdem das Ausstellungsprojekt zuvor in Madrid zu sehen war. Jeweils sechs Malerinnen und Maler wurden ausgewählt, um unter dem Titel „Sichtverhältnisse“ neue Einblikke auf eine traditionelle, wenn nicht totgesagte Kunstgattung zu geben. Doch die Positionen zu figurativer Malerei erweisen sich als Glücksfall: Selten ergänzen sich Werke auf so selbstverständliche und unaufdringliche Art, selten auch gehen Reflexion und Kritik auf so leicht dahinschwebende Weise zusammen.

Sprach man zuletzt immer wieder vom Ende der Malerei, setzt „Sichtverhältnisse“ auf das Spiel mit dem Bruch. Das „universale, gemeinsame Vielfache von Medien-Wirklichkeit und elektronischen Bildern“, das sich in den Bildern spiegeln soll, hat das Malen in den letzten Jahrzehnten ohnehin grundlegend verändert. Doch es ist keine Schande, wenn auch kontinuierliche Ansätze, die in Berlin und Madrid ähnlich schwer wiegen, aufgenommen werden, so daß „eine Malerei nach der Digitalisierung der Bilder“ (Christoph Tannert) weitergeführt werden kann. Nicht nur Computer und Internet, Film und Fernsehen, auch andere populäre und triviale Bildmedien spielen in die künstlerische Auseinandersetzung der Dreißig- bis Vierzigjährigen mit hinein, die hier ausstellen.

Der direkte Bezug auf Massenmedien zeigt sich in den Gemälden von Simeon Saiz Ruiz. Seine Darstellungen von Kriegsopfern aus Sarajevo basieren auf vergrößerten Fernsehstills, die mit stäbchenförmigen Strichen in eine neue Komposition übertragen wurden. Auch Eberhard Havekost knüpft an eine distanzierte und doch mediengestützte Sicht der Dinge an: Seine kleinen verwischten Leinwandbilder – mit Männerköpfen, Gewehr, Zielfernrohr, Fahrzeug und nacktem Frauenkörper – erscheinen als düstere Szenen einer einzigen Geschichte, die auf quälende Weise zwischen Realität und Fiktion unentschieden bleibt. In den Bildern von Juan Ugalde wiederum taucht die Alltagswirklichkeit in Form vergrößerter Schwarzweißfotografien auf: trostlose Szenarien urbaner Genormtheit, die mit kitschig verfremdender Übermalung und Collagentechnik in eine beunruhigend schäbige Absurdität überführt ist.

Andere führen mit Ironie und Lust am Fabulieren hinter die medialen Fassaden und die Glücksversprechungen der Warenwelt. Maik Wolf malt sich eine geheimnisvolle, bunt-exotische Blumenlandschaft zusammen, in der ein Robin Hood umherirrt. Gabriele Basch treibt Muster von Kindheit und Natur in höchst artifizieller Oberflächenmalerei auf die Spitze – ihre Blumenmotive überwuchern die Ausstellungswand.

Marina Munez präsentiert ihre jungen Frauen nicht als Models, sondern als Monster, die aus einer schwarzen Leere auf den Betrachter blicken. In den Bildern von Diego Figari läßt sich nicht nur der Einfluß von Luis Gordillo als Vaterfigur der neuen pop-gesättigten figurativen Malerei in Spanien erkennen. Die silhouettenhaften, kopulierenden Formen scheinen bei Figari fast wörtlich von der bemalten Oberfläche direkt in die Eingeweide vorzustoßen. Michael Nungesser ‚/B‘ Noch bis 2. Mai, Mi. bis So.: 14 bis 19 Uhr, im Künstlerhaus Bethanien, Mariannenplatz 2

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