Kommentar
: Verpaßte Chance

■ Radunski verspielt Zukunft der Deutschen Oper

So kann's gehen, wenn man nur nach einem neuen Namen sucht, obwohl man eigentlich nichts Neues will. Schon früh ließ Kultursenator Peter Radunski durchblicken, daß er bei der Intendantensuche für die Deutsche Oper auf Kontinuität setzt. Wen auch immer er auf den Chefposten hieven werde – der vor zwei Jahren erst angetretene Musikchef Christian Thielemann solle dem Haus erhalten bleiben. Thielemann setzte noch eins drauf und formulierte mit der Arroganz des gefragten Jungstars seine Anforderungen an einen möglichen Kandidaten.

Kein Wunder also, daß gerade die vielversprechendsten unter den AspirantInnen abspringen. Der Salzburger Festspielchef Mortier soll nicht mehr interessiert sein, und die stellvertretende Stuttgarter Opernchefin Pamela Rosenberg hat ihren Verzicht gestern öffentlich gemacht. Rosenberg war die Interessanteste aus dem Reigen der BewerberInnen. Gemeinsam mit dem Intendanten Klaus Zehelein hat sie aus der schwäbischen Provinzbühne das lebendigste Opernhaus im Lande gemacht: viele moderne oder unbekannte Werke, interessante Regisseure, Nachwuchssänger statt verblaßter Altstars. Auch die Repertoirepflege wird in Stuttgart ernst genommen, während die Sänger an der Deutschen Oper nicht selten desorientiert durch ein zwanzig Jahre altes Bühnenbild stolpern.

Gewiß, Thielemann hat das musikalische Niveau gehoben. Doch nimmt er den Stab nur dann selbst in die Hand, wenn Wagner oder Richard Strauss auf dem Spielplan steht – wie dem Verehrer Friedrichs des Großen überhaupt alles Deutsche am Herzen liegt. Selbst wenn man das Politische außen vor läßt: Auch künstlerisch ist es ein Problem, wenn der Chefdirigent der Deutschen Oper auf das gleiche Repertoire abonniert ist wie sein Kollege an der Staatsoper.

Nachdem Thielemann in Interviews auch noch teure Gesangsstars forderte und die Regie in die Schranken wies, war für Rosenberg das Maß voll: Für solch „konservative Vorstellungen von Oper“ wollte sie sich nicht hergeben. Doch der Schwarze Peter liegt nicht bei Thielemann. Es war Radunski, der sich Optionen verbaute, weil er sich zu früh auf den Dirigenten festlegte. Ralph Bollmann