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Embargos nützen vor allem den Kriegseliten

■ Embargos und Zerstörungen von Industrieanlagen verstärken die Schattenökonomie – und festigen damit die Macht der Herrschenden. Die „Ökonomie der Bürgerkriege“ ist hoch aktuell

Kosovo, Afghanistan, Indonesien, Kambodscha, Angola..., im Jahr 10 nach Ende des Kalten Krieges zählen internationale Hilfsorganisationen über 30 militärische Konflikte in allen Teilen der Welt. Interne Konflikte in von Auflösung und Zerfall gezeichneten Staaten verdrängen zunehmend zwischenstaatliche Aggressionen. Angesichts der Auswüchse des Terrors macht sich vielerorts Ratlosigkeit breit. Politische Gewalt, so viele Beobachter, ist ein irrationales, blindwütiges und unerklärbares Phänomen.

Im Zeitalter des Kalten Krieges schien die Welt noch übersichtlicher zu sein. Militärische Konflikte in der Peripherie, dozierte die herrschende Lehre, sind ideologischer Natur – mehr oder weniger exotischer Abklatsch der zentralen Konfrontation zwischen den Großmächten. Als mit der Mauer auch dieser Erklärungsansatz wegbrach, suchte man auf ethnischem, religiösem und kulturellem Terrain nach Ursachen für politische Gewalt.

Die ethnizistische Rede vom großen Kulturkampf vergaß aber häufig, daß auch hinter volkstümelnder Rhetorik oft handfeste machtpolitische Interessen stehen: „Ethnische oder religiöse Motive werden zumeist von Personen oder Elitengruppen zum Zweck der eigenen Herrschaftssicherung oder -gewinnung mobilisiert“, so Harald Müller, Forschungsgruppenleiter am renommierten Hessischen Institut für Friedens- und Konfliktforschung.

An anderer Stelle fahnden Jean François und Jean-Christophe Rufin in ihrem eben erschienenen Sammelband „Die Ökonomie der Bürgerkriege“ nach Erklärungen für politisch motivierte Gewalt. Die zentrale These: Um die Dynamik interner Konflikte zu verstehen, muß der Blick geschärft werden für ökonomische Strukturen hinter den „Kulissen“ des Terrors.

Kriegswirtschaften bilden ein komplexes System aus lokalen Kriegstreibern, Söldnern, Banden und Internationalen Hilfsorganisationen – und funktionieren nach eigenen Gesetzen: „Wenn eine Rebellion sich ausweitet und andauert, müssen die politischen und militärischen Akteure ökonomische Prozesse organisieren, die ihren Kampf finanzieren und gleichzeitig die Bevölkerung unter Kontrolle halten.“

Immer gibt es in diesen Schattenwirtschaften findige Unternehmer, denen es gelingt, aus der kriegsbedingten Knappheit Kapital zu schlagen. Der Krieg generiert gesellschaftliche Interessen, die sein Fortbestehen sichern – und dabei nicht unbedingt der ethnischen oder politischen Grundkonfiguration des Konfikts entsprechen müssen: „So schürte der moslemisch-kroatische Verteidigungsrat während des Bosnienkonfliktes gezielt Feindseligkeiten gegen die örtliche serbische Bevölkerung, um ihr dann eine Evakuierung anzubieten“. Auf der anderen Seite erzeugte der kriegsbedingte Schwarzhandel in vielen Fällen eine Kooperation von an sich gegnerischen Militärs.

Das Geschäft mit der Gewalt ist kein neues Phänomen: Im Dreißigjährigen Krieg entstand ein ganzer Wirtschaftszweig, der die Soldateska ausstaffierte. „Kriegsunternehmer“, von Fürsten angeworbene Söldner, bereicherten sich auf Kosten der Zivilbevölkerung, legitimiert durch Wallensteins Formel, daß der Krieg den Krieg ernähren müsse.

Konfliktforscher Müller warnt jedoch vor ökonomistischem Reduktionismus: „Im Kosovo-Konflikt etwa sind ökonomische Interessen kaum zu erkennen. Hier manipuliert eine Machtclique den serbischen Nationalmythos Amselfeld, um ihre Herrschaft zu erhalten.“

Dennoch kann das Handwerkszeug der Ökonomie dazu beitragen, Struktur und Dynamik der Interessen in Konfliktgebieten besser zu begreifen. Wirtschaftsembargos etwa, so die Autoren, wirken in Bürgerkriegen paradoxerweise sehr oft konfliktverschärfend. Sie vergrößern den Bereich der Schattenökonomie und damit Macht und Einfluß der Kriegseliten – gleiches gilt wohl auch für Attacken auf Lagerhallen, Industrieanlagen und andere Objekte der „offiziellen“ Volkswirtschaft.

Für die Internationale Gemeinschaft bedeutet das: Die neue Unübersichtlichkeit in Kriegsgebieten macht humanitäre Hilfe oder die Wahl des richtigen Sanktionsinstruments nicht einfacher – als Aufforderung, eine Einmischung deswegen ganz zu unterlassen, darf Rufins und François' Buch jedoch nicht mißverstanden werden. Mark Schleritz

Jean François und Jean-Christophe Rufin (Hrsg.): „Ökonomie der Bürgerkriege“. Aus dem Französischen von Birgit Sommer. Hamburger Edition, Hamburg 1999, 478 Seiten, 68 DM

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