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■ Der Grünen-Parteitag und der Kosovo-KriegStrategische Scheindebatte

Nichts sei sicher und gewiß, betonen derzeit Spitzenpolitiker von Bündnis 90/Die Grünen und wiegen nachdenklich die Köpfe. Aber möglicherweise zeichne sich doch ab, daß auf dem bevorstehenden Parteitag die pazifistische Position keine Mehrheit finden werde. Und ob sich das abzeichnet! Pazifisten sind bei den Grünen seit Jahren in der Minderheit. Vom Fundamentalismus hat sich die Partei auch im Blick auf Militäreinsätze lange vor Beginn des Kosovo-Krieges verabschiedet.

In der bundesweiten Diskussion darüber spielen Pazifisten ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle. Dennoch haben Befürworter der Nato-Angriffe die Kritiker stets in diese Ecke gestellt. Dabei ließen sie sich auch nicht durch die Tatsache beirren, daß dieses Etikett vielen Gegnern der Luftschläge wahrlich nicht anzuheften ist, wie etwa Helmut Schmidt, Rudolf Augstein und dem ehemaligen stellvertretenden Nato-Oberbefehlshaber Gerd Schmückle.

Für die Bündnistreuen in den Reihen der Grünen ist es lebenswichtig, die Diskussion auf eine Scheindebatte zwischen Pazifisten auf der einen und allen sonstigen Positionen auf der anderen Seite zu verkürzen. Jetzt wird die Botschaft gestreut, daß die Annahme eines Antrags auf einen einseitigen Waffenstillstand der Nato genügend Spielraum für ein Verbleiben in der Koalition lasse.

Die Strategie ist geschickt. Was immer der Parteitag beschließt – die Führungsspitze wird sich erleichtert zeigen und das Votum als Rückendeckung für die Bundesregierung verstehen. Von der Nato lernen heißt siegen lernen. Die Allianz wird ebenfalls jeden nur denkbaren Ausgang des Krieges als Erfolg präsentieren, mag am Ende auch etwas herauskommen, was der Westen noch bei den Rambouillet-Verhandlungen als unakzeptabel bezeichnet hat.

Die Parteistrategen bauen auch in anderer Hinsicht vor. In Bonn ist jetzt zu hören, die Grünen hätten auf ihrem Parteitag nicht die Frage nach ihrem Selbstverständnis zu beantworten, sondern sich zu überlegen, wie man zu einer Lösung des Kosovo-Problems kommen könne. Das ist falsch, klingt aber gut. Es ist Aufgabe von Regierungen und Diplomaten, konkrete Lösungsvorschläge zu entwickeln. Parteien haben dazu Stellung zu beziehen, nicht weitere hinzuzufügen. Wann ist denn der geeignete Zeitpunkt für die Frage nach dem außenpolitischen Selbstverständnis der Grünen? Nicht vor Wahlen, nicht während Koalitionsverhandlungen und nicht im Krieg. Also nie.

Die Rechnung derjenigen, die jetzt keine Grundsatzdiskussion wünschen, dürfte aufgehen. Die Forderung, doch lieber konstruktiv an der Zukunft mitzuwirken, statt rückwärtsgewandt an der Vergangenheit herumzumäkeln, kommt immer gut an. Wer will schon zu den ewiggestrigen Nörglern gehören? Aber es reicht für eine Positionsbestimmung nicht aus, den Plan von Außenminister Joschka Fischer zur Lösung der Kosovo-Krise zu unterstützen. Daneben muß seine Partei auch die Frage beantworten, ob die Entscheidung richtig war, sich an dem Krieg zu beteiligen. Das Thema erledigt sich nicht dadurch, daß dieser nun schon so lange dauert.

Es ist möglich, heute die Forderung nach einem bedingungslosen Stopp der Bombenangriffe aus Sorge vor einem propagandistischen Erfolg des Miloevic-Regimes für falsch und den Beginn der Nato-Operation dennoch für unverantwortlich zu halten. In einer plumpen Gleichung, die nur Pazifisten und den Rest der Welt kennt, ist für derlei Differenzierungen allerdings kein Platz. Das neue Konzept, das die Nato jetzt beschlossen hat, deutet darüber hinaus darauf hin, daß die Debatte über die Notwendigkeit von UNO-Mandaten nicht etwa vorbei ist, sondern gerade erst beginnt.

Wer sich der Vergangenheit nicht stellt, wird von ihr eingeholt. Bündnis 90/Die Grünen sind einer Debatte über ihre außenpolitischen Grundsätze schon allzu lange ausgewichen. Die jetzt veröffentlichten Eckpunkte für einen Leitantrag des Bundesvorstandes deuten darauf hin, daß die Parteispitze das nun ein weiteres Mal versuchen will. Sie enthalten keine klare Antwort auf die Frage nach der Legitimität des Krieges, nicht einmal nach dessen Zweckmäßigkeit. Dazu aber muß die Partei sich äußern. Gerade mit Blick auf die Zukunft. Bettina Gaus

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