: Embargo mit Verspätung und Schlupflöchern
Kein Öl für Blut: Nach fünf Wochen Luftkrieg sollen jetzt Nato-Schiffe eine Seeblockade von Öllieferungen nach Jugoslawien durchsetzen. Doch die Nato darf keine Gewalt anwenden: Embargobrecher aus Nicht-EU-Staaten können passieren ■ Von Bernhard Pötter
Die Nato hat sich verkalkuliert und macht jetzt den ersten Schritt nach dem zweiten: „Wir gingen von einem raschen Ende der Luftangriffe aus“, heißt es unter Diplomaten der Nato aus Brüssel. Dieser Glaube an ein schnelles Einlenken des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosovic verhinderte, daß die Nato sich früher als in der fünften Kriegswoche um ein wirksames Ölembargo gegen den Feind kümmerte.
Das holt die Allianz jetzt nach: Mit einer Seeblockade gegen Öltanker durch Nato-Schiffe in der Adria sollen Jugoslawiens Armee und Wirtschaft weiter lahmgelegt werden. Dieser Beschluß der EU soll ab Ende der Woche umgesetzt werden. Ob diese Aktion die serbische Armee allerdings tatsächlich in ihrem Aktionsradius einschränkt, ist zweifelhaft. Denn einerseits hat das Militär Treibstoff für einen langen Krieg gebunkert (siehe Text unten), andererseits will die Nato das Embargo nicht mit militärischen Mitteln durchsetzen. Neben dem Öl, das auf dem Landweg geschmuggelt wird, kann die jugoslawische Wirtschaft damit auch weiterhin auf Öltanker aus Nicht-EU-Staaten hoffen, die sich nicht von der Nato-Flotte zum Abdrehen überreden lassen.
Die Nato werde nicht das Recht haben, solche Embargobrecher mit Gewalt zu stoppen, räumte der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, General Klaus Naumann, ein. Zwar hatte Nato-Generalsekretär Javier Solana gesagt: „Wenn es ein Embargo gibt, wird es auf jeden angewendet.“ Doch einen Tanker unter panamesischer oder gar russischer Flagge würden die Nato-Schiffe nicht aufbringen, denn dazu wäre ein Beschluß des UN-Sicherheitsrates nötig, erklärte der Heidelberger Völkerrechtsprofessor Jochen Frowein. Ein derartiger Beschluß aber liege im Gegensatz zum Embargo während des Bosnien-Krieges nicht vor. Das Embargo der EU sei nur ein „Handelsverbot für Lieferanten aus der EU“. Es gelte nicht für andere Länder.
Nach Nato-Angaben sind inzwischen 70 Prozent der jugoslawischen Raffineriekapazitäten zerstört. Das Land verbraucht nach Informationen des „Erdöl-Energie-Informationsdienstes“ in Hamburg drei Millionen Tonnen Treibstoff im Jahr, die Nato schätzt den Verbrauch der Armee auf 500 Tonnen Diesel pro Tag. Die üblichen Importwege sind blockiert: Die Pipelines durch Kroatien und Ungarn wurden inzwischen zugedreht, die Donau ist durch die Trümmer der zerstörten Brücken unpassierbar geworden. Inzwischen haben auch Bulgarien und Rumänien angekündigt, sich der Blockade der Donau für Öltransporte nach Jugoslawien anzuschließen. Neben dem Landweg vor allem aus Griechenland, auf dem nach Meinung aller Experten der Schmuggel zu Höchstpreisen blüht, bleibt für den Import nur noch der Hafen Bar an der montenegrinischen Adriaküste. Der soll nun durch die Blockade getroffen werden. Über ihn haben nach Medienberichten bis vor kurzem auch britische und französische Schiffe noch Zehntausende von Tonnen Treibstoff geliefert – selbst noch während der Luftangriffe der Nato. Nach Informationen der New York Times kaufen jugoslawische Händler auf den europäischen Märkten Öl zu Summen, die „20 bis 50 Prozent“ über dem Marktpreis liegen.
„Das Embargo kommt viel zu spät, es wird löchrig sein und die Vertreibungen der Zivilbevölkerung imKososvo nicht verhindern“, sagt Matthias Karadi vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Wie gut die Geschäfte trotz des Krieges noch laufen, zeige die Tatsache, daß „britische Piloten die serbischen Raffinerien bombardierten und gleichzeitig britische Schiffe den Serben Öl lieferten“. Doch auch das Embargo ändere nichts an den Verbrechen im Kosovo: „Die Vertreibungen der Bevölkerung können die Serben auch mit wenig Benzin vollenden.“
Natürlich werde ein Embargo die jugoslawische Wirtschaft treffen, so Karadi. Doch um den Schmuggel zu unterbinden, müssen nach Meinung des Friedensforschers die Nachbarstaaten für ihre Verluste aus einem „Embargofonds“ entschädigt werden. Die Wirtschaftsblockade gegen ein Land sei „als Instrument noch nicht durchdacht“ und schwer zu kontrollieren. „Das einzige erfolgreiche Embargo war die langfristig angelegte und durchgehaltene Blockade Südafrikas zu Zeiten der Apartheid“, so Karadi. Eine wirkungsvolle Blockade gegen Jugoslawien hätte nach dem Dayton-Vertrag 1996 eingerichtet werden müssen. Statt dessen wurden die Beschränkungen des Handels aber aufgehoben.
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