: Rätselraten um Drašković
■ Milošević schweigt, Scharping nach Moskau
Belgrad/Moskau (dpa/rtr/taz) – Das Rätselraten über die Position des jugoslawischen Vizepremiers Vuk Drašković geht weiter. Wenn sich Berichte bewahrheiten sollten, wonach das serbische Militär den populären Sender Studio B übernommen habe, sei er „bereit zum Widerstand gegen Herrn Milošević“, sagte Drašković der BBC. „Wir werden gegen diese antidemokratische Entscheidung protestieren“, kündigte er an. Serbien sei „nicht der Privatbesitz“ von Präsident Milošević.
Gleichzeitig nahm Drašković seine Äußerungen über eine Schutztruppe für das Kosovo teilweise zurück. Auf die Frage von Journalisten, ob er im einzelnen mit Milošević darüber gesprochen habe, ob eine internationale Kosovo-Truppe bewaffnet sein sollte, sagte er: „Darüber haben wir nicht gesprochen.“ Unter anderem hatte Drašković am Vortag erklärt, er glaube, Milošević sei mit der Stationierung einer Schutztruppe aus Nato-Ländern einverstanden, sofern sie mit einem UN- Mandat ausgestattet sei.
Der französische Außenminister Hubert Védrine hatte die Äußerungen Draškovićs als „erstes Zeichen“ für ein Einlenken Belgrads gewertet. In Washington sprach Außenamtssprecher Rubin von einer „Anerkennung der Realität“. Demgegenüber beurteilte die Bundesregierung die Aussagen von Drašković skeptisch. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Erdmann, sagte, die Frage sei, ob Drašković „mit gedecktem Scheck operiert oder politisches Roulette spielt“.
Der russische Balkanbeauftragte Wiktor Tschernomyrdin hat nach Angaben seiner Sprecherin nicht vor, am Mittwoch oder Donnerstag nach Belgrad zu reisen. Von einer solchen Reise sei nichts bekannt, sagte sie auf Anfrage. Zuvor hatte sie mitgeteilt, daß Tschernomyrdin seinen für Mittwoch geplanten Besuch beim Europarat in Straßburg abgesagt habe. Eine russische Nachrichtenagentur meldete unter Berufung auf den in Straßburg weilenden georgischen Präsidenten Eduard Schewardnadse, Tschernomyrdin werde nach Belgrad reisen und werde dies nicht mit leeren Händen tun.
In Moskau war Tschernomyrdin gestern mit dem stellvertretenden amerikanischen Außenminister Strobe Talbott zusammengetroffen. „Wir verstehen uns sehr gut“, sagte Talbott nach dem Treffen. Am Vormittag hatte Talbott mit Außenminister Igor Iwanow gesprochen. „Wir haben uns darauf geeinigt, daß wir weiter eng zusammenarbeiten wollen“, sagte Iwanow. Bundesverteidigungsminister Scharping will heute Moskau besuchen, um „den Kontakt aufrechtzuerhalten“.
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