: Ordentliche Realo-Intervention
■ HipHop der dritten Generation: The Roots aus Philadelphia ästhetisieren ihren Hardcore mit freundlicher Tanzmusik
Die Roots sind ein Traum. Die Idealvorstellung des weißen Intellekts von einer HipHop-Gruppe, die diese ästhetisch und sprachlich fremde und dadurch gefährliche Welt öffnet, darin formulierte Positionen verständlicher macht, politischen Anspruch in Titel und Bild vermittelt. Und das auch noch in Form freundlicher, tanzbarer Musik, die auf einem Industrie-Label erscheint. So sieht ordentliche Realo-Intervention aus: eine große, finanziell abgesicherte Diskussionsrunde, harmonisch schon im Bewußtsein der abschließenden „Conscious Party“, die sich in besetzten Häusern ebensogut macht wie als subversives aber ungefährliches Additiv auf den Bühnen der ernsten Kultur.
Wie vor drei Jahren in der Musikhalle, als die Männer aus Philadelphia im Vorprogramm von Me'Shell Ndegeocello die gediegene Atmosphäre durch gestische Agitation und pure Lautstärke störten, was im Nachbericht der Morgenpost als „zu primitiven Rhythmen Unverständliches stammeln“ (Morgenpost vom 15.7.1996) nachzulesen war. Diese reaktionäre, rassistisch gefärbte Kritik ist schon insofern absurd, als die Roots allein durch ihre Instrumentierung alles tun, um auch Rock- oder Jazz-Sozialisierten den Zugang zu ermöglichen. Neben zwei Stimmen und dem obligatorischen DJ besteht das Sextett aus Bass, Keyboard und Schlagzeug – über die Jahre perfektioniert zu einer organischen und hochmusikalischen Einheit.
Die Frage, ob das noch HipHop ist, stellt sich nur für Menschen, die diesen Begriff durch seine eigentlichen „Produktionsmittel“ Plattenspieler und Mikro eingrenzen wollen. Warum sollte es musikhistorisch zurückdatiert werden, nur weil ein Großteil der Samples, Cuts und Beats gespielt und improvisiert wird? Zumal die assimilierenden Kräfte von Hip-Hop schon durch die musikalische Meta-Ebene seiner zitathaften Struktur die stärkeren sind. Wird Hip-Hop als Kultur begriffen, gibt es ohnehin kaum ein Entkommen.
Und die Roots rappen, reich an Wort und Inhalt. Die zentrale Stimme dazu nennt sich Black Thought, entstammt aber, wie seine Mitspieler, weniger dem Ghetto als der Kunsthochschule. Dementsprechend ästhetisiert ist ihr Hardcore – deutlich beim Coverfoto, das Schwarze auf der Flucht vor der Polizei zeigt, dabei aber von 1957 stammt und auch als sentimental-politisches Poster durchgehen könnte. Holger in't Veld
mit Melky Sedeck: Fr, 30. April, 19.30 Uhr, Grünspan
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