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■ Der Krieg auf dem Balkan zerreißt die britische Labour-Partei

Tony Blair ist Demokrat. „Die Menschen haben verschiedene Ansichten über diesen Konflikt“, sagte der britische Premierminister vorige Woche, „und wir kämpfen unter anderem für das Recht der Menschen, unterschiedliche Meinungen zu haben, ob in Serbien oder hier.“

Blairs gönnerhafte Bemerkungen zielten auf die Labour- Abgeordnete aus Halifax, Alice Mahon, ab. Vor zwei Wochen war sie nach Belgrad gereist, um anschließend dem Unterhaus über die immensen Schäden zu berichten, die der „Konflikt“ verursacht hatte. Es war der erste Besuch eines Unterhausmitglieds in Jugoslawien seit Ausbruch der „humanitären Aktion“.

Blair kann sich großzügig geben, denn für das Grobe sind andere zuständig: Clare Short etwa, die Ministerin für Entwicklungshilfe, die dem linken Parteiflügel angehört. „Es gab Leute, die damals glaubten, Hitler wäre gut, es gab Menschen, die dagegen waren, etwas gegen Hitler zu unternehmen“, sagte sie ebenfalls in Richtung Alice Mahon. „Ich schäme mich, daß es Mitglieder der Labour-Partei gibt, die unerhörte Dinge zur Verteidigung der serbischen Taten hervorbringen. Sie haben das Recht, das zu sagen, aber ich habe das Recht, mich dafür zu schämen.“

In der Woche zuvor hatte sie bereits die Parteigenossen in die Schranken verwiesen, die für eine Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Kosovo plädierten. Sie seien „dumm“ und erledigten die Arbeit für Miloevic. „Wir werden gewinnen“, fügte sie hinzu. Das kollektive „wir“ bröckelt jedoch immer mehr, je länger der Krieg dauert.

Die Gräben verlaufen jedoch nicht nach dem alten Links-rechts-Schema, das der Parteiführung in der Vergangenheit so schwer im Magen lag. Diesmal gehen sie quer durch alle Flügel. Neben Clare Short ist vom linken Flügel auch Ken Livingstone für die Bombardierung Jugoslawiens, aber mit ein wenig Zurückhaltung: „Wir sollten den Einsatz von Streu- und mit abgereichertem Uran versehenen Bomben vermeiden“, erklärte der „rote Ken“. Dann könnten „wir die Welt davon überzeugen, daß die Nato mit ihrer Aktion auf dem Balkan ehrenwerte Ziele verfolgt“.

Die Parteiführung schwingt die Faschismus-Keule. Die Nato sei gegen den Faschismus gegründet worden, und dagegen gehe es auch in Serbien, sagte Außenminister Robin Cook und meint damit, daß die Kriegsgegner mit den „serbischen Faschisten“ gemeinsame Sache machten. Das mußte der in Belgrad stationierte BBC-Chefreporter John Simpson, der dem rechten Labour-Flügel nahesteht, am eigenen Leib erfahren. Er wurde heftig, aber anonym von „Regierungskreisen“ kritisiert. Auf Anfrage nahm Blair Stellung zu Simpson: „Er darf berichten, was er will, aber wir dürfen behaupten, daß diese Berichte unter Anleitung und auf Anweisung der Serben entstanden sind.“

Ralf Sotscheck, Dublin

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