piwik no script img

Jesse Jackson gelingt einmal mehr das Unerwartete

■ Der Selfmade-Diplomat kehrte mit den drei in Jugoslawien inhaftierten US-Soldaten aus Belgrad zurück. Das Weiße Haus ist darüber nicht so ganz böse, wie es vor der Reise schien

Jesse Jackson hat es mal wieder geschafft: Der zweimalige Präsidentschaftskandidat, Bürgerrechtler und Prediger traf gestern nachmittag mit den drei am 31. März in Jugoslawien gefangengenommenen GIs auf dem Luftwaffenstützpunkt Ramstein ein. Noch während des Fluges wurden die Freigelassenen medizinisch untersucht.

Am Tag zuvor hatte Jugoslawiens Präsident Slobodan Miloevic nach einem mehr als dreistündigen Gespräch mit Jackson der Freilassung „als Geste guten Willens“ zugestimmt. Das Weiße Haus gratulierte Jackson und begrüßte die Nachricht von der Überstellung der GIs an seine Delegation. Jackson sagte anschließend, er hoffe, daß es nun zu weiteren positiven Zeichen komme, etwa zu einer Feuerpause der Nato. Heute wird Jackson mit US-Präsident Bill Clinton zusammentreffen, um ihm einen Brief Miloevic' zu übergeben.

Die drei Soldaten – Christopher Stone (25), Andrew Ramirez (24) und Steven Gonzalez (21) – waren 32 Tage zuvor an der jugoslawisch-makedonischen Grenze unter bislang nicht geklärten Umständen in Gefangenschaft geraten. Sie waren Mitglieder der dort stationierten UN-Friedenstruppen. Sie sagten, sie seien während der Haft voneinander getrennt, aber insgesamt gut behandelt worden. Noch von Belgrad aus konnten sie über Jacksons Mobiltelefon mit ihren Angehörigen telefonieren.

Jackson war am Mittwoch vergangener Woche mit einer 19köpfigen Delegation von Kirchenvertretern in Belgrad eingetroffen. „Wir reisen als religiöse Persönlichkeiten nach Belgrad, voll Sorge um alle in der Region, die leiden“, sagte Jackson vor der Abreise. Er wolle die Gefangenen besuchen und ihnen Videobotschaften ihrer Familien überbringen. Zuvor war er mit mehreren Beratern Clintons zusammengetroffen, die betonten, er fahre auf eigene Verantwortung. Sicherheitsberater Samuel Berger sagte gar, er sähe es lieber, wenn Jackson die Reise absagen würde. Damit hat Washington den Erfolg seiner Mission eher begünstigt, wie auch Jackson betonte: „Wenn Clinton unsere Reise unterstützt hätte, hätten wir gar nicht erst abzufahren brauchen.“

Miloevic überschüttete seine Besucher zunächst mit Vorwürfen: Die USA hätten vergessen, daß die Serben im Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Alliierten standen. Er kämpfe an zwei Fronten, gegen die Luftangriffe und gegen den Feldzug, der in den internationalen Medien gegen ihn geführt werde und in dem er mit dem Satan verglichen werde. Jackson habe darauf mit dem Vorschlag reagiert, die drei GIs freizulassen und damit den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen, berichtete ein Mitglied der Delegation gegenüber der Washington Post. Als Miloevic seine bekannten Vorstellungen einer diplomatischen Lösung des Konflikts darlegte, habe Jackson ihn auf die offizielle Position der Nato verwiesen und bekräftigt, die Zusammensetzung einer Friedensstreitmacht sei der einzige bedeutende Unterschied zwischen beiden Parteien. Er, Miloevic, müsse jetzt ein Zeichen setzen und selbst etwas tun, um das Image des Satans abzuschütteln. Dies habe den jugoslawischen Präsidenten nachdenklich gemacht, berichtet ein Teilnehmer des Gesprächs.

Zum Abschluß des Treffens betete Jackson und ergriff dabei Miloevic' Hand. Wenige Stunden nach diesem Treffen verkündete Jugoslawiens Außenminister Zivadin Jovanovic gegenüber Jackson, daß er „die Soldaten mitnehmen“ könne.

Jackson hat sich damit erneut als Spezialist bei der Befreiung US-amerikanischer Soldaten und anderer Staatsbürger aus Geiselhaft erwiesen. 1984 erlöste er den US-Piloten Robert Goodman, der über dem Libanon abgeschossen worden war, aus syrischer Haft. Im gleichen Jahr gelang ihm die Freilassung von 22 US-Bürgern und 26 Kubanern aus Fidel Castros Gefängnissen. Im Herbst 1990, wenige Monate vor Beginn des zweiten Golfkriegs, überredete er Saddam Hussein, 500 im Irak als Geiseln gehaltene Ausländer freizulassen. Stefan Schaaf

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen