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Claudia-Schiffer-Gedächtnis-Kirche

■  Um die anstehende Sanierung der Gedächtniskirche zu finanzieren, begibt sich deren Pfarrerin in die rettenden Hände der Werbewirtschaft. Grüne Stadträtin war anfangs dagegen

Sie soll uns mal wieder betören. Das deutsche Fräuleinwunder, das Top-Model Claudia Schiffer, wird ab Montag von einem rund 50 Meter hohen Plakat, das den Glockenturm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche umhüllen wird, auf die Hauptstadt hinabblicken. „L'Oreal Paris, Weil ich es mir wert bin“, soll in werbewirksamen Lettern unter Schiffer und weiteren fünf geheimgehaltenen Köpfen des Plakates stehen, das an einem Baugerüst angebracht werden wird. Die Aktion der Berliner Werbefirma Fubac soll allerdings nicht nur der Firma L'Oreal guten Absatz bescheren. Fubac will für die gesamten Kosten der Renovierung des Glockenturmes aufkommen. In dem steinernen Gemäuer von 1895 sind Haarrisse entdeckt worden. Die Wiederherstellung des Turmes beläuft sich nach Schätzungen von Experten auf wenigstens 240.000 Mark.

„Das Geld haben wir nicht“, sagte die Pfarrerin der Gedächtniskirche, Sylvia von Kekulé, zur taz. „Wir sind froh, daß wir auf diese ungewöhnliche Art die Renovierung bezahlen können.“ Außerdem habe die Gemeinde mit der Werbeagentur noch eine tägliche Mieteinanhme für die Laufzeit der Aktion vereinbart, während der auch die Renovierung durchgeführt wird. Das Motiv von L'Oreal wird rund 30 Tage am Turm prangen, danach soll es laut Fubac für die darüber hinaus verbleibende Instandsetzungszeit von etwa zwei Monaten bereits weitere Werbeinteressenten geben.

Bis Sonntag abend war allerdings unklar, ob die Aufhängung des laut Presseberichten rund 2.300 Quadratmeter großen Posters überhaupt genehmigt werden würde. Die Charlottenburger Baustadträtin Beate Profé (Bündnis 90/Die Grünen) hatte sich gegen die Werbung ausgesprochen, da die Gedächtniskirche eine „große Bedeutung für Charlottenburg und Berlin insgesamt“ habe und sie es „äußerst problematisch“ fände, den Turm zu verhängen. „Außerdem befürchte ich einen gezielten Tabubruch der Werbewirtschaft. Es geht ein Kampf los, welche Firma kann sich an welchem wichtigen Gebäude präsentieren“, sagte sie. Sie befürchte, daß in nächster Zeit alle möglichen Gebäude „zugekleistert“ würden. Die Kirche müsse zudem für sich beantworten, ob es ihr gut anstehe, sich mit einer x-beliebigen Firma zu präsentieren. Profé hatte nach eigenem Bekunden jedoch ihre Zustimmung nicht weiter verweigern wollen, da „ich mittlerweile allein auf weiter Flur“ stehe. Neben der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg, die am vergangenen Donnerstag mit 27:16 Stimmen für die Aktion gestimmt hatte, hatte laut Profé auch das Landesdenkmalamt keine schwerwiegenden Einwände gegen das Plakat geäußert. „Da hatte ich keinen Partner mehr“, sagte die Baustadträtin.

Die Pfarrerin der Gedächtniskirche wirft den Gegnern der Aktion vor, daß gerade diejenigen, die aus der Kirche ausgetreten seien und keine Kirchensteuer mehr bezahlen, am lautesten gegen die unkonventionelle Einnahme polemisiert hätten. Annette Rollmann

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