: Ein Mann für alle Fälle
■ Leipzigs Opernchef Udo Zimmermann wird Intendant der Deutschen Oper: ein Modernisierungsschub für das dahindümpelnde Haus steht an
Er war als erster im Gespräch. Dann wurde es wieder still um seinen Namen, weil er eisern schwieg – und zuletzt ist er es doch geworden: Udo Zimmermann, derzeit Opernchef in Leipzig, wird mit Beginn der Spielzeit 2001/02 Intendant der Deutschen Oper Berlin. Das gab Kultursenator Peter Radunski (CDU) gestern bekannt.
Für das zuletzt dahindümpelnde Charlottenburger Haus, seit dem Fall der Mauer arg ins Abseits gerückt, ist Zimmermann geradezu prädestiniert.
Als zeitgenössischer Komponist paßt der 55jährige genau zu jenem Profil, das Berlins Kulturpolitiker aller Couleur der Deutschen Oper zugedacht haben – der Pflege des modernen Musiktheaters. Auch das Problem, daß der kolossale Nachkriegsbau mit seinen 2000 Plätzen für ein solch elitäres Programm eigentlich viel zu groß ist, dürfte Zimmermann eher meistern als andere: Schließlich hat er auch in Leipzig ein überdimensioniertes Haus zu füllen verstanden. Das ging freilich nur, weil er einerseits spektakuläre Ur- oder Erstaufführungen ansetzte, die sogar den Sprung in die Fernsehnachrichten schafften – und andererseits genau diese Renommierproduktionen nur zwei- oder dreimal je Spielzeit zeigte, um die Bühne wieder den Kassenschlagern zu überlassen. Aber auch Mozart oder Verdi waren in Leipzig stets in anspruchsvollen Inszenierungen zu sehen.
Für den Berliner Job qualifiziert hat sich Zimmermann auch durch seinen Blick fürs finanziell Machbare. Zwar hat er bei Etatkürzungen an der Pleiße wiederholt mit seinem Rücktritt gedroht, doch letztlich blieb er immer – und setzte sogar Einsparungen um, die seinen Musikchef Jiri Kout zum Aufgeben veranlaßten. Um das Sparprogramm zu erfüllen, spielte die Leipziger Oper zuletzt fast nur noch am Wochenende. Das wird sich die Deutsche Oper angesichts der erregten Debatte um Schließtage in Berlin nicht leisten können, aber trotz eines Haushaltslochs von 20 Millionen Mark hat sie mit 80 Millionen Mark immer noch einen weit höheren Etat als ihre sächsische Schwester.
Den Mangel in eine Stärke verwandeln konnte der Professor an der Dresdner Musikhochschule jedoch durch seine Strategie, vor allem vielversprechenden Sängernachwuchs an sein Haus zu verpflichten. Das könnte auch der Deutschen Oper guttun, die in den 20 Jahren der Intendanz Götz Friedrichs viel Staub ansetzte.
Der Ausstrahlung des Hauses kann es nur guttun, daß der Komponist moderner Opern wie „Die weiße Rose“ im Zweifel auch vor Populärem und Konventionellem nicht zurückschreckt. So rettete er in Leipzig das örtliche Operettenhaus, die „Musikalische Komödie“, indem er es unter die Fittiche der Oper nahm.
Unklar ist freilich noch, wie sich Zimmermann, der auch selbst dirigiert, mit dem Musikchef der Deutschen Oper arrangiert. Schließlich gilt Christian Thielemann als konservativ und der Moderne gegenüber wenig aufgeschlossen. Zwei weitere prominente Bewerber, Gérard Mortier aus Salzburg und Pamela Rosenberg aus Stuttgart, hatten das Handtuch geworfen, weil der Senator an Thielemann festhielt.
Kurz schien es, als sei die Entscheidung für Zimmermann nur der Auftakt für einen großen kulturpolitischen Befreiungsschlag: Die Ulmer Südwest Presse meldete gestern, der 47jährige Stuttgarter Schauspielchef Friedrich Schirmer werde Intendant des Deutschen Theaters. Das wäre ebenfalls eine Entscheidung für einen Modernisierers gewesen. Doch Radunskis Sprecher dementierte gestern, daß die Würfel für die Nachfolge des gefeuerten Thomas Langhoff schon gefallen seien. „Es sind noch mehrere Kandidaten im Rennen“, sagte er, „wir lassen uns den Zeitplan nicht von einer süddeutschen Provinzzeitung diktieren.“ Ralph Bollmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen