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Heimliche und illegale Pioniertat

Der Saatgutkonzern Pioneer vertreibt genmanipulierten Mais ohne erforderliche Zulassung. Staatsanwälte ermitteln wegen Verstoßes gegen das Gentechnikgesetz  ■   Von Wolfgang Löhr

Berlin (taz) – Der Saatgutkonzern Pioneer Hi-Bred hat in Süddeutschland nicht zugelassenen Gentech-Mais verkauft. Der Weltmarktführer für Saatgut verstößt damit gegen das Gentechnikgesetz, das den Handel mit nicht zugelassenen Gentech-Organismen unter Strafe stellt. Aufgrund einer Anzeige des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschlands (BUND) ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Freiburg.

Der Verdacht, daß es sich um nicht zugelassene Maissorten handelt, wurde von der Chemischen Landesuntersuchungsanstalt in Freiburg bestätigt: In einem Gutachten stellen die Lebensmittelprüfer fest, daß in zwei von drei untersuchten Säcken mit Saatgut der konventionellen Sorte „Benicia“ DNA-Sequenzen gefunden wurden, die für genmanipulierten Mais charakteristisch sind.

Konkret konnten zwei verschiedene Gentech-Maissorten nachgewiesen werden. Zum einen handelt es sich dabei um eine Sorte, die von dem Biotech-Konzern Monsanto entwickelt wurde und auch bereits in Europa eine Marktzulassung hat. In diesem Fall hätte nach dem Gesetz der Pioneer-Mais mit „kann gentechnisch verändertes Saatgut enthalten“ gekennzeichnet sein müssen. Weit schwerwiegender sind die geringfügigen Spuren der Maissorte „BT 11“. Für diese vom Chemiekonzern Novartis entwickelte Gentech-Sorte liegt bisher noch keine Anbaugenehmigung für die Europäische Union vor. Möglicherweise ist der Pioneer-Mais noch mit einer dritten Sorte, ebenfalls von Monsanto und ohne EU-Anbaugenehmigung, kontaminiert.

Auf Pioneer aufmerksam geworden war der BUND durch Informationen französischer Bauern. Diese entdeckten im Pioneer-Mais genmanipulierte Körner. Während in Frankreich das beanstandete Saatgut von der Firma zurückgenommen und gegen unverdächtige Maiskörner ausgetauscht wurde, will der Saatguthersteller in Deutschland vorerst nichts davon wissen. „Wir haben keine gentechnisch veränderte Sorte auf den Markt gebracht“, beantwortet Ulrich Schmidt, Geschäftsführer der deutschen Pioneer-Niederlassung in Buxtehude, die Frage nach einer möglichen Rückholaktion.

„Wir gehen davon aus, daß das Saatgut den Vorschriften entsprechend produziert worden ist“. Schmidt mahnt zur Vorsicht bei der Interpretation der Untersuchungsergebnisse, die ihm im übrigen noch gar nicht vorlägen. Sollte sich die gentechnische Verunreinigung aber tatsächlich bestätigen, so könne es sich nur um eine „nicht beabsichtigte, geringfügige Verunreinigung“ handeln. Und derzeit werde ja diskutiert, derartige Verunreinigungen bei neuartigen Lebensmitteln zuzulassen.

Dan Leskien, der Gentech-Experte des BUND, widerspricht vehement: Grenzwerte, wie sie derzeit im Rahmen der europäischen Novel Food-Verordnung diskutiert würden, seien im Gentechnikgesetz nicht vorgesehen. So sieht es auch die Staatsanwaltschaft in Freiburg: „Das Gentechnikgesetz läßt keine Toleranzgrenze zu“, heißt es dort.

Dieser Fall sei bereits seit zwei Wochen bekannt, aber nichts bisher geschehen, kritisiert Leskien die Untätigkeit der zuständigen Behörden. Sie würden „durch feiges und zögerliches Handeln“ die Bauern gefährden, die derzeit schon den beanstandeten Mais in die Erde bringen. „Am Ende“, so Leskien, „steht das Gentechnikrecht, das ihnen den Verkauf der Ernte verbietet, wenn sie in unerlaubter Form gentechnisch belastet ist“.

„Wir müssen noch weitere Untersuchungen abwarten,“ rechtfertigt sich Jürgen Fluhme, Leiter der Umweltabteilung beim Regierungspräsidium Tübingen, das in Baden-Württemberg die gentechnischen Arbeiten kontrolliert. „Wir wissen aber, wo das Saatgut hingegangen ist“, so Fluhme, „wenn wirklich die Notwendigkeit bestehen sollte, könnten wir die betroffenen Felder ausfindig machen und die Vernichtung der gentechnisch veränderten Pflanzen sicherstellen“.

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