piwik no script img

Der lange Lebenslauf bringt wenig

■ Bewerbungstrainer raten: Wer in mittleren Jahren eine neue Arbeitsstelle sucht, sollte sich tunlichst als SpezialistIn anbieten

Berlin (taz) – Die 38jährige hatte vor Jahren ihr Ethnologiestudium abgebrochen und sich nach einer kaufmännischen Weiterbildung bei einer Zeitarbeitsfirma beworben. Mit den Zeitjobs in Büros finanzierte sie ihre Südamerikareisen, betreute dort kranke Kinder und schuftete im Kibbuz in Israel. Als die Firma debis „flexible Mitarbeiter unter 40“ im Sekretariatsbereich suchte, schickte sie ihre Unterlagen hin mit Hinweis auf ihre ausgedehnten „Auslandsaufenthalte“. Die Bewerbungsmappe kam prompt zurück. „So geht es nicht“, sagt Sabine Hertwig vom Berliner Büro für Berufsstrategien. „Wer sich nach einem wechselnden Berufsleben bewirbt, muß sein Profil schärfen.“

Die 38jährige lernte, ihren Lebenslauf zu verschlanken, nicht jede Reise zu erwähnen, statt dessen auf ihre kaufmännische Erfahrung und ihre organisatorischen Fähigkeiten zu verweisen und besonders ihre Südamerikaaufenthalte samt Sprachkenntnissen hervorzuheben. Dann schickte sie eine „Initiativbewerbung“ an ein auf Südamerika spezialisiertes Reiseunternehmen. Die Firma biß an. Die Frau bekam einen Job in der Organisation.

„Ein Angebot formulieren“ nennt Hertwig dieses Vorgehen. Wer sich im mittleren Alter irgendwo neu bewirbt, sollte möglichst nicht mit seinem langen Lebenslauf zu glänzen versuchen, sondern die besondere Qualifikation für eben diese Firma hervorheben.

Die 48jährige Diplomkauffrau, ebenfalls bei Hertwig in der Beratung, hatte in jüngeren Jahren in zwei Unternehmen im mittleren Management gearbeitet und suchte nach einer Familienpause den Wiedereinstieg. Sie begann eine Weiterbildung in SAP-Programmen, die damals gerade in die Firmen Einzug hielten. Sie beließ es aber nicht nur bei dem arbeitsamtsfinanzierten Grundkurs, sondern finanzierte selbst noch einen Aufbaukurs auf hohem Niveau. Dann machte sie ihren Lebenslauf „schmal“ und hob nur die SAP-Erfahrung und ihre EDV-Kenntnisse der letzten Jahre hervor. Sie bewarb sich direkt bei einer Firma, von der sie wußte, daß sie SAP noch nicht installiert hatte. Mit 46 fand sie so einen neuen Job.

Was aber macht der 40jährige, der jahrelang durch AB-Maßnahmen oder befristete Jobs in Kultur- oder Jugendprojekten tingelte? Hier bringt es wenig, Bewerbungen herumzuschicken. Statt dessen sollte der Jobsuchende eher auf einem Infoblatt seine besonderen Fähigkeiten etwa in Veranstaltungsorganisation, Drittmittelbeschaffung und Sponsorensuche hervorheben und sich dann auf Tagungen, Messen oder zu anderen Anlässen direkt an mögliche Auftraggeber wenden. BD

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen