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Das Schweigen der Akten

■ Die Deutsche Botschaft gewährt Opfern der argentinischen Diktatur Akteneinsicht

Buenos Aires (taz) – Zum ersten Mal hat die Deutsche Botschaft in Buenos Aires deutschen Angehörigen der Opfer der argentinischen Militärdiktatur Akteneinsicht gewährt. Ellen Marx, deren Tochter fünf Monate nach dem Militärputsch 1976 entführt wurde und seitdem verschwunden blieb, konnte in Anwesenheit des Konsuls einen Aktenordner einsehen, auf dem ihr Name stand. Die Akte kopieren durfte sie jedoch nicht.

Bundespräsident Roman Herzog und der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, hatten während ihres Argentinienbesuches im April den Angehörigen deutscher oder deutschstämmiger Diktaturopfer die Akteneinsicht versprochen. Volmer ließ sie jetzt in einem Brief wissen, daß sie die Akten ihrer Verwandten einsehen dürfen.

Lange hatte sich das Auswärtige Amt gesperrt, den Angehörigen entgegenzukommen. Insgesamt wurden während der Diktatur in Argentinien 76 Deutsche oder Deutschstämmige verschleppt und ermordet. Die Fälle sind nie aufgeklärt worden. Bis heute wissen die Angehörigen nicht, wer ihre Verwandten ermordet hat und wo deren Leichnam liegt. Im Juni wollen die deutschen Angehörigen in Berlin Strafanzeige gegen argentinische Militärs stellen, damit die deutsche Justiz in den Fällen ermittelt.

Marx war als Jüdin während des deutschen Faschismus nach Argentinien geflohen. Jetzt ist sie froh, endlich Akteneinsicht erhalten zu haben. Sie habe in ihrer Akte auch Namen gefunden, die sie noch nicht kannte, berichtet sie. Ihr Berliner Anwalt Wolfgang Kaleck hält die Mitteilung der Botschaft für einen „ersten Schritt“. Allerdings sei das noch zuwenig. „Es kommt darauf an, die gesamten Akten zu studieren, weil nur daraus hervorgeht, wie sich die Botschaft insgesamt verhalten hat. Wir wollen sehen, mit wem sie gesprochen haben, was für Antworten sie erhalten haben und was sie konkret getan haben“, so Kaleck. Er hat auch beim Auswärtigen Amt in Bonn Akteneinsicht beantragt. Dort fiel die Antwort knapp aus. In einem „Zweizeiler“ sei ihm „ohne jegliche juristische Argumentation“ mitgeteilt worden, so Kaleck, daß die dortigen Archive verschlossen bleiben.

Während der argentinischen Militärdiktatur (1976 bis 1983) wurden nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen 30.000 Menschen verschleppt und ermordet. Später wurden zwar Militärs vor Gericht gestellt und verurteilt, dann aber durch Amnestiegesetze begnadigt, so daß ihnen heute in Argentinien keine Strafverfolgung droht. Ingo Malcher

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