■ Der Finanzminister will ein Steuer- und Sparpaket vorlegen: Hans Eichel wird einsam werden
Die Bild-Zeitung präsentiert eine „Bonner Horrorliste“ über geplante Steuererhöhungen: Witwen und Pendler sollen bluten, heißt es da. Und auch die Nacht- und Sonntagsarbeiter würden ihre Zuschläge bald nicht mehr steuerfrei genießen dürfen. Vor allem aber werde die Mehrwertsteuer angehoben. Das Finanzministerium dementiert postwendend.
Bis das offizielle Papier im Sommer vorliegt, werden wir so etwas wohl noch ein paarmal erleben. Denn im Haus von Hans Eichel rechnen die Ministerialen fieberhaft, wie das 30-Milliarden-Loch im Haushalt gestopft werden kann. Immer wieder werden Teile von Szenarien durchsickern und den Protest der jeweils gerade Betroffenen hervorrufen. Deshalb setzt Eichel alles daran, das Paket als Ganzes zu präsentieren. Sollte ihm das gelingen, kann er sich glücklich schätzen. Denn Ungemach droht ihm nicht nur von Lobbygruppen, sondern vor allem auch aus den eigenen Reihen. Viele Sozialdemokraten werden versuchen, Interessen ihrer vielfältigen Klientelen aus dem Spar- und Steuerpaket herauszufleddern. Und Kanzler Schröder hat erfahrungsgemäß für Sonderwünsche stets ein offenes Ohr.
Doch Kassenwart Hans Eichel ist angetreten, den Haushalt nachhaltig zu konsolidieren. Jede vierte Steuermark geht gegenwärtig für den Schuldendienst drauf – nach dem Sozialetat der größte Posten. Will Eichel sein Ziel erreichen, muß er klotzen. Das wird viele gegen ihn aufbringen. Sinkt der Spitzensteuersatz weniger, als zu Oppositionszeiten von SPD und Grünen angekündigt, ist der Protest von Wirtschaft und Besserverdienenden programmiert. Autoindustrie und ADAC werden Sturm laufen gegen die absehbare Mineralölsteuererhöhung und eine Kürzung der Kilometerpauschale, die Gewerkschaften bei den Nachtzuschlägen Zeter und Mordio schreien. Die anstehende Mehrwertsteuererhöhung wird der Regierung den Vorwurf der Steuerlüge einbringen – hatte die SPD sie doch noch wenige Tage vor der Wahl als sozial ungerecht proklamiert, als die damalige Frauenministerin Claudia Nolte einen solchen Plan der Kohl-Regierung ausplauderte.
Die Aussichten sind wahrlich nicht rosig. Doch langfristig führt kein Weg an einem nachhaltigen Haushaltskonzept vorbei. Und genau das müßte die Bundesregierung klar benennen. Doch radikale Schritte sind mit Sozialdemokraten meist nicht zu machen. Deshalb ist es wahrscheinlicher, daß Eichels Sparbemühungen durchlöchert werden, noch bevor sie auf dem Tisch liegen. Annette Jensen
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