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Sitzen so Sieger?

■ Das Bremer Juristenkabarett „Libretto fatale“ hat ein neues Programm geschmiedet und bringt das Publikum im Moments zum Lachen

Wenn man es hört, schwant einem Böses: Ein Juristenkabarett? Da scheint der einzige Witz in seiner Existenz zu bestehen! Seit 16 Jahren treffen sich also sieben Bremer AnwältInnen und JustitiarInnen regelmäßig wie andere gute Kumpels zum Doppelkopfspielen, nur daß bei ihnen einmal im Jahr statt einiger göttlicher Blätter eine satirische Revue dabei herauskommt. Soll man sowas ernstnehmen? Dies tut ein erstaunlich großes und treues Publikum. Bei kaum einer anderen Bühnenattraktion ist das Moments so totsicher ausverkauft, etwa 5.000 Bremer sehen sich pro Saison das „libretto fatale“ an. An diesem Wochenende war die Premiere des neuen und zehnten Programms „Freie Radikale“, und die große Überraschung für den äußerst skeptischen Rezensenten war, daß die Pointen der sieben Rechtsgelehrten wirklich treffsicher und komisch waren.

Natürlich wirkt die Form inzwischen etwas antiquiert. Auch das Publikum besteht aus aufgeklärten BremerInnen über 40, die sich bestimmt noch regelmäßig den „Scheibenwischer“ im Fernseher zu Gemüte führen. Aber davon abgesehen ist die Show wirklich gut: Der immer etwas herablassend gewährte Amateur-Bonus ist hier völlig fehl am Platze, und mit ihrem satirischen Blick sind die sieben Performer auf der Höhe der Zeit. So ziehen sie sehr schön die Multikulti-Nettigkeit und die Absurditäten des Euro-Bürokratismus durch den Kakao: Ein Türke, eine Russin und eine Tibetanerin entpuppen sich bei ihrer feierlichen Einbürgerung schon als typische Deutsche: materialistisch, rechtsradikal und fremdenfeindlich.

Ein von Brüssel großzügig finanziertes Forschungsprojekt widmet sich der Pfeifsprache „el silbo“, die außer den auf den Kanaren Forschenden niemand zu pfeifen versteht. Und in einem Schnellkurs lernen „Walter und Conny“ das babylonische Sprachdurcheinander „Eurosprech“. Bei einem Verbrauchertest werden mal schnell die drei Weltreligionen auf Heil und Kosten geprüft, ein Driller fragt beim Managertraining mit Haifischlächeln „Sitzen so Sieger?“ Und sehr schön war auch der Fußballfan, der mit einer nicht zu widerlegenden Logik die drei Gründe für den Niedergang des deutschen Fußballs benennen konnte (Sitzplätze in den Stadien, Handys und Rasenheizung).

Aber am meisten Witz entwickelt das „libretto fatale“ darin, die Texte bekannter Liedchen zu bissigen Kommentaren umzudichten. So hatte die FDP in einem Lied anläßlich ihres Hinscheidens mit Elton Johns „Candle in the Wind“ nur ständig ihr „Mäntelchen im Wind“, oder die Senatorinnen Wischer (Soziales) und Kahrs (Bildung, Kultur etc.) erklären uns im Duett ihre Top-Positionen mit dem Girly-Schlager „Weil ich ein Mädchen bin“. All das wirkt natürlich auf der Bühne viel witziger als es sich hier liest – denn wie allen guten Performern gelingt es auch diesen, das Publikum mit ihrer Bühnenpräsenz auf ihre Seite zu ziehen, so daß auch die etwas schwächeren Pointen gerne und reichlich belacht werden. Für 18 Mark wird also im Moments intelligent und durchaus professionell unterhalten.

Wilfried Hippen

Für morgen abend um 20.30 Uhr werden wohl kaum noch Plätze zu haben sein, aber das „libretto fatale“ tritt bis in den Herbst hinein in jedem Monat an drei Abenden im Moments auf.

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