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Leben in die Straße bringen

■  Nette Spinnerei oder ernstzunehmendes Projekt? Mitten im knallharten Geschäft des Berliner Baubooms nehmen Pläne für ein „Haus um die Schenkung“ Gestalt an

Das Klosterviertel im Berliner Innenstadtbezirk Mitte – vor Jahrhunderten das Gründungsgebiet der Stadt – ist seit den 30er Jahren ein reiner Verwaltungsbezirk. Auch im Jahre 10 nach der Wende wohnen hier, mitten in der Möchtegernmetropole, gerade einmal acht Menschen.

In der näheren Umgebung allerdings hat der Hauptstadt-Boom im Verein mit der Hoffnung auf steigende Anziehungskraft des Bezirks für betuchte Mieter etliche Neubauten hervorgebracht, vor allem Eigentumswohnungen und Bürogebäude. Und ausgerechnet hier, im Eldorado für Spekulanten, soll in der Kloster- Ecke Stralauer Straße ein Haus entstehen, dessen Mietüberschüsse und Erträge an Kultur- und Sozialprojekte verschenkt werden (tazThema: Anthroposophie vvom 26. 9. 98).

Das ausdrückliche Ziel lautet: nachhaltige Stadtentwicklung: „Wir wollen wieder Leben in die Straße bringen“, sagt Projektleiter Markus Vahlefeld, „mit Spekulationsobjekten alleine ist das nicht möglich.“ Der gemeinnützige Verein „Haus um die Schenkung“ hat nun nach der öffentlichen Ausschreibung für das 930 Quadratmeter große landeseigene Stück Bauland den Zuschlag von der Berliner Senatsfinanzverwaltung bekommen.

Direkt neben dem – ebenfalls noch in Planung befindlichen – Gebäude der holländischen Botschaft soll ein anthroposophisch angehauchtes Zentrum für Wirtschaft, Kultur und Forschung entstehen. Bei der Finanzverwaltung der Senatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) rannte der Verein mit diesem Vorhaben offene Türen ein. „Das war das städtebaulich überzeugendste Konzept“, so Fugmann-Heesings Sprecher Dirk Wildt. Auch das für die Prüfung des Bauantrags zuständige Bezirksamt Mitte signalisiert Zustimmung: „Wir hoffen, daß das Haus einen Beitrag leistet, dieses abgehangene Viertel zu revitalisieren“, sagt Baustadtrat Thomas Flierl (parteilos, für PDS). Der Preis des Grundstücks soll 6,67 Millionen Mark betragen, Baubeginn ist voraussichtlich zeitgleich mit dem Botschaftsgebäude Ende dieses Jahres. Die Kaufverhandlungen sind allerdings noch nicht abgeschlossen.

Auch der Architekt – wiewohl selbst kein Anthroposoph – geht seine Aufgabe ganzheitlich an: „Man sollte keine Häuser bauen, sondern Städte“ lautet das Motto des holländischen Baumeisters Rem Koolhaas. Er entwarf die niederländische Botschaft und stieß so zu dem „Haus um die Schenkung“-Verein, dem er die Pläne für ein siebenstöckiges Gebäude zeichnete, in Kristallform und mit Spreeblick durch riesige Öffnungen in der Mauer.

Die Hälfte von rund 5.000 Quadratmetern Gewerbefläche sollen an Wirtschaftsunternehmen vermietet werden. Büroflächen werden rund 30 Mark pro Quadratmeter kosten. Läden müssen mit höheren Preisen rechnen. 25 Prozent sind für Kultur- und Forschungsprojekte und fünf Prozent für politische und gemeinnützige Einrichtungen reserviert. Einer der Mieter wird der Öko-Textilversand Hess-Natur, der damit von Berlin aus in das Einzelhandelsgeschäft einsteigen will. Auch das Europäische Institut für onkologische und immunologische Forschung des Holländers Robert Gorter, der unter anderem die Heilwirkung von Cannabis im Zusammenhang mit Krebs erforscht, wird in das Haus einziehen. 1.000 Quadratmeter werden zu Eigentumswohnungen, im Erdgeschoß ist ein Konferenzzentrum geplant.

Die Einnahmen aus Grundstückspacht und Mieten sollen an Projekte fließen, die sich für ökologische Stadterneuerung, Kultur oder alternative Gesundheitsvorsorge einsetzen. Welche das sein werden, stehe derzeit noch nicht fest, so Vahlefeld. „Wir müssen zuerst die Finanzierung sicherstellen.“ Denkbar sei zum Beispiel die Förderung eines Nachbarschaftsvereins.

„Von einem regen Geistesleben“, erläutert Vahlefeldt die Motivation der Projekt-Initiatoren, „profitiert auch die Wirtschaft. In Zukunft wird die öffentliche Hand immer weniger geben können und die Wirtschaft immer mehr geben müssen.“ Er hofft, daß sich in dem Haus kommerzielle Unternehmen und gemeinnützige Projekte gegenseitig befruchten – und daß sich schon im Vorfeld genügend Unterstützer von dieser Idee überzeugen lassen: Der Verein bemüht sich derzeit um Schenkungsgelder für den Kauf des Grundstücks. Katharina Körting

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