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Gefährlicher Fang im Fischernetz

Die Bombenabwürfe der Nato in der Adria lassen die Stimmung in Italien kippen. Die Fischer fordern den Einsatz von Minenräumern und streiken, und die Fremdenverkehrssaison ist erneut in Gefahr  ■   Aus Chioggia Werner Raith

Eigentlich befindet sich Remo Di Capua im Streik. Wie alle Fischer des nördlichen Adria-Raumes hat auch die Besatzung der „Alma“ an den Molen festgemacht, Protestplakate gehißt und grimmig versprochen, „erst wieder hinauszufahren, wenn die Regierung Schadenersatz bereitstellt und alle Bomben von Minensuchern weggebracht worden sind“.

Seit Mitte der vergangenen Woche vier Fischer schwer verletzt wurden, als sich in ihrem Netz Streubomben verfingen und explodierten, herrscht miese Stimmung. Gerade hatten die Fremdenverkehrsämter eine Großoffensive der Beruhigung gestartet, weil unzählige gebuchte Gäste Angst hatten, daß Miloevic aus Rache Raketen nach Italien schicken könnte. Keine Gefahr, die Raketen des Pfuiteufels aus Belgrad können nicht so weit fliegen.

Und nun das: Statt der Belgrader Raketen finden sie in ihren Netzen zu Hunderten diese „ekelhaften kleinen Dinger“, wie Remo sie nennt, „die aussehen wie ein Gaskocher vom Campingplatz“, ein gutes Pfund wiegen – und die „von unseren lieben Freunden aus den USA stammen“. Kleinlaut haben die Nato-Sprecher eingeräumt, daß die bisher geborgenen Sprengkörper alle aus Beständen der westlichen Allianz stammen. Und so dümpelt Remo trotz Streiks mit seiner „Alma“ von Rosolina los, um nachzuschauen, ob die Minensucher an der Arbeit sind. Zwar hat die Küstenwache dringend vor dem Hinausfahren gewarnt, aber rechtliche Handhabe, die Fischer am Lostuckern zu hindern, gibt es keine: Nur das Fischen ist per Regierungsdekret im oberen Adriameer verboten.

Wir brauchen nur wenige Meilen zu fahren, da sind die Silhouetten von Kriegsschiffen zu sehen. Remo behauptet, sie alle voneinander unterscheiden zu können, und identifiziert es als eines der Blockade-Schiffe, die das Ölembargo überwachen sollen, doch zwei Meilen weiter ist er sicher: „Das sind Minensucher!“ Tatsächlich geht auch schon wenige Sekunden danach ein Funkspruch ein, sich fernzuhalten, einige der Bomben würden möglicherweise zur Explosion gebracht.

Daß die Explosivkörper nicht, wie die Nato-Sprecher behaupten, „in allerseltensten Einzelfällen scharf sind“, zeigt uns Remo auf der Fahrt immer wieder. Ständig treiben Fische bauchoben an uns vorbei, einige holt er mit einem Käscher herauf – die meisten weisen zwar keinerlei Verletzung auf, doch wenn er sie aufschneidet, sieht man, daß die Luftblase in ihrem Inneren geplatzt ist. Zeichen, daß es in ihrer Nähe eine Detonation gegeben hat.

Wenig später beginnt es dann zu krachen. Fünf Knaller sind zu hören, allerdings weit entfernt. Im Corriere findet Remo einen Artikel, „der eine Begründung für das Desaster liefern soll“: Bomben müßten, steht da, „natürlich über Feindesland abgeworfen werden.“ Aber ab und zu klemme etwas in der Auslösevorrichtung, die Bombe bleibe hängen – und da müsse man sie eben entweder mechanisch oder durch wiederholte Entladeversuche loswerden, „sonst besteht Gefahr, daß sie bei der Landung explodiert“. Doch, ruhig, ruhig, sagt der Artikel weiter, „die Bomben dürfen nur in bestimmten Gebieten der internationalen Gewässer abgeworfen werden und selbstverständlich werden sie vorher entschärft.“

Remo kann es nicht fassen: „Einen Krieg nur mit intelligenten Waffen wollen die führen, und dabei sind sie nicht mal fähig, Flugzeuge und Bomben zu bauen, die beim Einsatz dann auch tatsächlich abgeworfen werden können!“ Überdies fliegt die Nato die meisten ihrer Einsätze nachts – wo die Flieger dann ihre Blindgänger abwerfen, kontrolliert niemand, einer hat schon mal eine Ladung in den Gardasee gekippt.

Drüben von der Suchaktion sind wieder Knaller zu hören. „Gott schütze uns vor unseren Freunden“, zitiert Remo, wieder an Land, gegenüber einem Fersehreporter ein Sprichwort, „mit meinen Feinden komme ich selbst zurecht.“

Die Stimmung in Italien, bisher eher ausgeglichen für und gegen den Krieg, hat deutlich zu kippen begonnen.

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