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Sechs Mal um die Erde

120 Millionen Bienen sind im Einsatz bei der Honigernte im Alten Land. Verbraucher erwarten unverfälschte Sortenhonige  ■ Von Jörn Freyenhagen

Wenn im Alten Land an der Unterelbe die Bäume blühen, reisen nicht nur Ausflügler an. Imker aus ganz Norddeutschland haben schon zu Beginn der Kirschblüte im April ihre Bienenstöcke in die Elbmarsch zwischen Hamburg und Stade gebracht. Mit der Apfelblüte im Mai beginnt der Großeinsatz für ihre fleißigen Bienen. Insgesamt 4000 Völker mit 120 Millionen Bienen werden benötigt, um allen Früchten in den Plantagen die gewünschte „Geburtshilfe“ zu geben. Im größten deutschen Obstanbaugebiet steht eine reiche Honigernte ins Haus.

„Wir nutzen den frühen Blühtermin, müssen aber auch starke Völker mitbringen“, sagt Gerhard Heide aus Krokau in Ostholstein, der seit vielen Jahren mit seinen Bienen ins Alte Land kommt. Dafür fährt er 165 Kilometer pro Strecke und kann seinen Kunden eine Sorte mehr anbieten: den wohlschmeckenden Obstblütenhonig von Kirschen, Äpfeln, Pflaumen und Birnen. „Der Trend beim verwöhnten Verbraucher geht eindeutig zu Sortenhonigen, und dem müssen wir Rechnung tragen“, meint Heide.

90 Prozent der Altländer Obstblüten werden von den Honigbienen bestäubt. Bei acht Millionen Obstbäumen im Alten Land geht es nicht ohne Hilfe von außen. Wenn sie explosionsartig erblühen, sind wilde Bienen und Hummeln restlos überfordert. „Der Import der Bienen ist unverzichtbar für den späteren Ernteerfolg der Obstbauern“, betont Heide. Ein Bienenvolk umfaßt zwischen 40.000 und 80.000 Bienen. Jeder Imker hat im Durchschnitt zehn Völker. Zuerst stellen sie ihre Körbe unter den Süßkirschen auf. Bei Birne, Sauerkirsche und Apfel ist der optimale Termin erreicht, wenn etwa 20 Prozent der Blüten geöffnet sind. Außerdem muß die Lufttemperatur über zwölf Grad liegen.

„Kundschafter-Bienen schwirren aus und geben Informationen über ergiebige Futterquellen an ihre Artgenossinnen im Stock weiter“, berichtet Hermann Bestmann aus Ruhwinkel (Kreis Plön), der mit 100 Bienenvölkern zu den größeren Gast-Imkern im Alten Land zählt. Er und seine Kollegen stellen den Obstbauern, die während des Bienenflugs nicht in die offene Blüte spritzen dürfen, ein gutes Zeugnis aus. Bisher habe es nur selten Verstöße gegen die Bienenschutz-Verordnung gegeben.

Der Fleiß der Altländer Bienen ist sprichwörtlich. Ihr winziger Honigmagen hat nur Platz für 60 Milligramm. Um Nektar für ein Kilogramm Honig zu sammeln, müssen die Bienen bis zu fünf Millionen Blüten anfliegen. Das sind rund 60.000 Ausflüge vom Bienenstock zu den Blüten und zurück, was einer Flugstrecke von sechs Erdumrundungen entspricht. Summa summarum führt der Bestäubungs-Einsatz auch in diesem Jahr wieder zu einer guten Bilanz für die Bauern. Jedes Kilogramm Honig, das von den Bienen eingebracht wurde, entspricht einer späteren Obsternte von einem Waggon voller Früchte.

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