Das Portrait: „Mumminpappa“ als Nato-Briefträger
■ Martti Ahtisaari
Zu viele Köche verdürben den Brei, sagte der finnische Staatspräsident Martti Ahtisaari über die Tätigkeit der Vermittler im Kosovo-Konflikt noch vorletzte Woche. Mittlerweile ließ er sich selbst von den USA zu Wiktor Tschernomyrdin, Eduard Kukan und Carl Bildt an den Herd schieben.
In den skandinavischen Nicht-Nato-Ländern wird über diese Wendung fast hämisch berichtet. Brauchten die USA einen „nützlichen Idioten“, fragte beispielsweise die liberale schwedische Tageszeitung Göteborgs-Posten. Eine selbständige Person sei als Nato-Vermittler offenbar unerwünscht, kommentierte das Blatt die Nominierung Ahtisaaris. So gesehen ist der bald 62jährige der richtige Mann. Er hat bislang die Angriffe der Nato mit keinemWort kritisiert. Der Sozialdemokrat ist daher nicht nur bei Bill Clinton beliebt, sondern er genießt auch das Vertrauen der Genossen Blair, Jospin und Schröder.
„Muminpappa“ Ahtisaari (Hufvudstadsbladet, Helsinki) läßt kein Essen kalt und kein Bier schal werden. Sein Ansehen in Finnland ist jedoch aller Volkstümlichkeit zum Trotz so gering, daß seine Partei ihn zur Wiederwahl zum Amt des Staatspräsidenten nicht einmal mehr vorschlagen möchte.
Das aber ficht die Nato nicht an. Die Allianz verweist auf seine Erfahrungen: Vor zwanzig Jahren war er UN-Vermittler in Namibia, im Bosnienkrieg leitete er eine UN-Arbeitsgruppe, die eine jugoslawische Friedenskonferenz vorbereiten sollte.
Wichtiger für seine Ernennung zum Friedensmittler von G 7 und Nato ist die Einschätzung Washingtons, er sei der geeignete Mann, das von UN-Generalsekretär Kofi Annan ernannte Vermittlerduo Eduard Kukan und Carl Bildt aufs Abstellgleis zu schieben. Vor allem Schwedens konservativer Oppositionsführer Carl Bildt gilt der Washington Post zufolge der US-Außenministerin Madeleine Albright als „rotes Tuch“, weil er den Sinn der Nato-Luftangriffe mehrmals öffentlich bezweifelt hat.
Martti Ahtisaari soll nun das tun, was Carl Bildt nicht wollte: den Nato-Briefträger spielen und als erster offizieller Gesandter des Westens Slobodan Miloevic in Belgrad treffen. Viele skandinavische Kommentatoren schätzen die Berufung Ahtisaaris daher als den Versuch einer Umgehung der Vereinten Nationen im Friedensprozeß und damit als eine Machtgeste Washingtons gegenüber der UNO ein. Reinhard Wolff
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