: Nato bombt sich einen Korridor nach Kosovo
■ Serbische Artilleriestellungen an der wichtigsten Straße von Albanien nach Kosovo waren gestern Ziel der Nato-Luftangriffe. UCK berichtet von serbischen Verlusten
Donnernde Schläge, Erschütterungen und einige Rauchwolken waren gestern nachmittag an der Grenze Albaniens zum Kosovo bei Molina deutlich zu sehen und hören. Vier Kampfjets der Nato griffen zwischen zwei und halb drei serbische Artilleriestellungen knapp zwei Kilometer von der Grenze entfernt an. Insgesamt waren sechs Einschläge zu zählen.
Mit diesen Angriffen auf grenznahe Stellungen der serbischen Armee an der wichtigsten Straßenverbindung zwischen dem Kosovo und Albanien, die von Kukes nach Prizren führt, will die Nato möglicherweise einen Korridor in das Kosovo freibomben – der dann von Bodentruppen genutzt werden könnte. Die kosovo-albanische Befreiungsarmee UÇK konnte bisher keine sicheren Versorgungslinien nach Kosovo hinein etablieren. Denn die serbischen Militärs haben seit dem Frühjahr 1998 die Grenze nach Albanien systematisch vermint sowie ihre Verteidigungsstellungen ausgebaut: Bunkeranlagen und Artilleriestellungen kamen in diesem Jahr hinzu. Bisher war an dieser Straße an ein Durchkommen nicht zu denken.
Schon seit Tagen seien hier Bombenangriffe auf serbische Stellungen geflogen worden, berichten albanische Grenzbeamte. Vor allem die Stellungen der serbischen Einheiten im sechs Kilometer entfernten ehemals von Albanern bewohnten Dorf Sur, wo sich seit Monaten eine starke serbische Polizeieinheit aufgehalten hat, kämen unter Beschuß.
Nato-Beobachter und Journalisten vermuten weiterhin, daß kosovo-albanische Zivilisten als Schutzschilde für die serbischen Stellungen dienen müssen. Über den abgehörten Funkverkehr der Serben ist zu schließen, daß Frauen und Kinder festgehalten worden sind. Deutlich können die Stimmen schreiender und weinender Menschen wahrgenommen werden. Während des gesamten gestrigen Tages waren von serbischer Seite die Schüsse von Scharfschützen zu hören.
Ein UÇK-Sprecher äußerte sich optimistisch über die Entwicklung der Kämpfe im Kosovo. Die serbische Seite habe angesichts der Luftangriffe schwere Schäden in der Logistik hinnehmen müssen. Abgehörte Funksprüche bestätigten, daß die serbischenTruppen gezwungen seien, an einigen Frontabschnitten Truppen zurückzuziehen.
Erich Rathfelder, Kukes
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