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Grüne: Ratlos, aber nicht zerstritten

■ Was kommt nach dem Grünen-Beschluß von Bielefeld? / Die Bremer Grünen zogen eine vorläufige Bilanz ihres Kosovo-Beschlusses und suchten nach Schlußfolgerungen für die Zukunft

Der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Klaus Möhle verkörpert sinnbildlich die Zerrissenheit so manch eines grünen Parteigängers in Sachen Kosovo. Als Delegierter hatte er letzten Donnerstag auf der Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) in Bielefeld für den Antrag der Bundesvorstandes und nicht für den pazifistischeren Ströbele-Antrag gestimmt. Doch das Herz schlägt auch andersherum: Als Mitglied des neuen Aktionsbündnisses „Bremer und Bremerinnen gegen den Krieg“ hat Möhle eine Resolution unterschrieben, die die „sofortige Einstellung der militärischen Angriffe gegen Jugoslawien“ fordert. Wie das zusammengeht? „Man kann nicht sagen, man ist zerrissen, und andererseits eine eindeutige Politik machen“, erklärt er seinen Zwiespalt. Mit seiner Stimme in Bielefeld hat er bekundet, daß die Koalition weiterarbeiten soll. Mit seinem Friedensengagement will er Druck auf die Regierung ausüben, eine Verhandlungslösung zu finden. „Bürgerprotest stärkt doch sogar Fischers Position, wenn er nach diplomatischen Alternativen sucht“, ist Möhle überzeugt.

Vierzig Grüne (Möhle war nicht dabei) hatten sich am Montag abend im Konsul-Hackfeld-Haus zusammengefunden, um sich über die Bedeutung des Bielefelder Beschlusses klar zu werden. Bricht die Partei nun auseinander? In Bremen scheint ein Krach wie in Hamburg derzeit wenig wahrscheinlich. Selbst der einzige Bremer Befürworter des Ströbele-Antrages, Arendt Hindriksen, bekannte: „Ich trete nicht aus der Partei aus.“

Drei verschiedene Herangehensweisen an das Dilemma der Grünen wurden an diesem Abend deutlich. Da waren zum einen zerrissene Menschen wie die Bielefeld-Delegierte Ute Treptow, deren Herz eigentlich für den Ströbele-Antrag schlug. Bei der entscheidenen Abstimmung kniff sie: Sie überließ ihre Stimmkarte einer Ersatzdelegierten. Mit ihr auf einer Linie: Bürgerschaftskandidatin Anja Stahmann. Für sie war Bielefeld lediglich eine Momentaufnahme, denn: „In einem Moment bin ich für Ströbele, im nächsten Moment zerreiße ich innerlich.“ Offene Bekenntnisse zur Ratlosigkeit.

Eine Position, die von der Realofraktion nicht goutiert wurde. „Man kann als Partei nicht Werbung für unterlegene Positionen machen“, trat der Abgeordnete Hermann Kuhn dem Ansinnen entgegen, an den Wahlkampfständen nun beide konkurrierenden Beschlüsse als Werbematerial auszulegen. Wo eine Entscheidung getroffen wurde, müsse sie auch offensiv vertreten werden. Ein Mann aus dem Publikum untermauerte Kuhns Haltung: Mit Joschka Fischer habe man nun endlich einen Mann gefunden, der die Grünen positiv repräsentiere; der siegreiche Beschluß, als Unterstützung von Fischers Politik gewertet, sei nur folgerichtig.

Die dritte Position am Montag abend: Die Dialogfähigkeit der Partei erhalten. „Unsere Stärke ist, daß wir uns auseinandersetzen“, sagte der Abgeordnete Helmut Zachau. „Die Diskussion würde auch gesellschaftlich nicht so geführt, wenn es unsere grüne Debattenkultur nicht gäbe“, glaubt Zachau.

Ein Großteil der Anwesenden war sich wenigstens in zwei Punkten einig: der Beschluß von Bielefeld stellt nur einen fragilen Formelkompromiß dar. Ohne grundsätzliche Positionen zu Militärbündnissen werden die Probleme nur vertagt. Einigkeit auch in einem anderen Punkt: Der Ströbele-Antrag hätte gute Karten gehabt, wenn nicht die Zukunft der Bonner Koalition an dem Beschluß gehangen hätte. Christoph Dowe

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