: „Nicht einfach austreten“
■ Warum der Politikprofessor Altvater bei den Grünen keinen Beitrag mehr zahlen will
taz: Herr Altvater, Sie haben angekündigt, aus Protest gegen den Parteitagsbeschluß der Bündnisgrünen ihren Parteibeitrag nicht mehr zu bezahlen und das Geld statt dessen für Jugoslawien zu spenden. Warum treten Sie nicht aus?
Elmar Altvater: Ich bin seit 20 Jahren in der Partei, da tritt man nicht so ohne weiteres aus. Ich habe die geringe Hoffnung, daß sich die Linie der Grünen noch einmal ändern wird. Ein Austritt macht zudem nur mit vielen Sinn. Da ich im Ausland war, habe ich keine Vorgespräche in dieser Richtung führen können.
Was hätte auf dem Parteitag beschlossen werden müssen?
Ein sofortiger Stopp der Nato-Aggression und eine Rückkehr zu den Verhandlungen, wie es sie bis zu den Bombardements gegeben hat. Die Unterstützung durch die Grünen hat den Spielraum in der öffentlichen Diskussion, auf eine Verhandlungslösung zu drängen, stark eingeschränkt.
Zum Schutz der noch im Kosovo verbliebenen Albaner sollte also auf keinen Fall militärisch vorgegangen werden?
Nein, absolut nicht. Menschenrechte können nicht so behandelt werden, wie die Inquisition das mit dem Seelenheil getan hat: Für das Seelenheil wurden Menschen gefoltert und verbrannt. So passiert es auch jetzt: Zur Verteidigung der Menschenrechte werden Menschen getötet. Man hat im Kosovo-Konflikt mit Mitteln gekämpft, um ein Ziel zu erreichen, das auf diese Weise nicht erreicht werden kann.
Wurde das Argument „humanitärer Einsatz“ mißbraucht?
Es ist mißbraucht worden. Ich bin fest davon überzeugt, daß der humanitäre Aspekt im geheimen Zielplan der Nato überhaupt keine Rolle spielt. Wahrscheinlich geht es einfach darum, die Landbrücke zum Kaspischen Meer und zum Kaukasus zu sichern. Die Voraussetzung dafür ist die Zerstörung Jugoslawiens.
Der Kosovo-Krieg ist demnach rein strategisches Kalkül?
Es entsteht eine neue bipolare Weltordnung. Die UNO ist aus dem Spiel, die OSZE auch, und die Nato ist als Weltpolizei da. Die Europäer sind dabei bloß Anhängsel der Amerikaner.
Was müßte für die Menschen vor Ort getan werden?
Eine Friedenstruppe unter UNO-Mandat müßte in den Kosovo. In dieser Hinsicht bin ich gar nicht so weit entfernt von der Linie von Joschka Fischer.
Welche Rolle sollte Deutschland spielen bei den Friedensbemühungen?
Die deutsche Außenpolitik seit 1991 hat dazu beigetragen, daß Jugoslawien aufgelöst wurde. Es wäre zu wünschen, daß eine neue Regierung diese Fehler nicht fortsetzen würde. Alternative Überlegungen, wie sie beispielsweise in der Friedensbewegung vorliegen, müssen verfolgt, und es muß viel stärker auf Verhandlungen gesetzt werden. Interview: Tobias Hinsch
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