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KommentarPopulismus pur

■ Präventives Massengaucken ist völlig übertrieben

Als Musterknaben möchten sich CDU und SPD präsentieren. Stasi-Spitzel wollen sie nicht in ihren Reihen wissen und schon gar nicht im Wahlkampf. Bloß keine Negativ-Schlagzeilen!

So unterziehen beide Parteien schon vor der Wahl alle ihre KandidatInnen für das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen einer Stasi-Überprüfung. Damit schießen sie allerdings weit über das Ziel hinaus. Es ist vollkommen unverhältnismäßig, 1.100 KandidatInnen, von denen zwei Drittel nicht den Sprung ins Parlament schaffen werden, präventiv von der Gauck-Behörde durchleuchten zu lassen. Die freiwillige Stasi-Überprüfung, die seit Jahren vom Abgeordnetenhaus praktiziert wird, ist allemal ausreichend.

Allerdings hat sich die PDS-Fraktion in dieser Legislaturperiode dem Verfahren aus fadenscheinigen Gründen verweigert. Statt dessen wertete die PDS die Gauck-Bescheide in Eigenregie aus und geriet wegen mangelnder Transparenz prompt in die Kritik. So liegt der Verdacht nahe, daß sich SPD und CDU vor allem deswegen als mustergültig präsentieren wollen, um dann um so besser mit dem Finger auf die PDS zeigen zu können.

Die präventive, flächendeckende Gauckung ist ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver der beiden Großparteien und in hohem Grade populistisch. Zehn Jahre nach der Einheit ist ein solches Vorgehen nachgerade absurd. Wenn es SPD und CDU darauf ankäme, verantwortlich mit einer Stasi-Verstrickung umzugehen, müßten sie ihre KandidatInnen auffordern, etwaige Vorgänge von sich aus zu offenbaren. Daß beide Parteien lieber zum Zwangsmittel greifen, sagt viel über das innerparteiliche Klima aus. Auch wenn dies nicht unbedingt ein generelles Mißtrauen gegenüber der Ehrlichkeit der eigenen KandidatInnen ausdrücken dürfte, ist es aber auch nicht gerade ein Signal dafür, daß man sich der jeweiligen Parteiführung mit einer Stasi-Verstrickung getrost anvertrauen kann.

Natürlich ist eine Stasi-Überprüfung von Volksvertretern auch zehn Jahre nach der Einheit noch geboten – zumal in der Zwischenzeit neue Akten aufgetaucht sein könnten –, doch Augenmaß ist gefordert. Dorothee Winden

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