: Abdullah Öcalans Chefanwalt gibt auf
Ahmet Zeki Okcuoglo will sich nicht zum türkischen „Hilfsstaatsanwalt“ machen lassen. Heute wollen die anderen Verteidiger mit dem PKK-Chef über die Aufrechterhaltung ihres Mandats beraten ■ Aus Istanbul Jürgen Gottschlich
Wenige Tage vor Beginn des Prozesses gegen PKK-Führer Abdullah Öcalan hat der bisherige Sprecher seiner Anwälte, Ahmet Zeki Okcuoglu, sein Mandat niedergelegt. Gegenüber der taz sagte er: „Ich bin davon überzeugt, daß der Prozeß eine reine Inszenierung wird und die Anwälte in diesem Schauspiel die Prügelknaben abgeben sollen.“
Vor drei Wochen hätten die Anwälte den türkischen Staat aufgefordert, eine unbehinderte Verteidigung zuzulassen und ihre persönliche Sicherheit zu gewährleisten. Nach Auffassung Okcuoglus sind diese Forderungen nicht erfüllt worden. Der Staat wolle eine Verteidigung nur zu seinen Bedingungen zulassen, und er, Okcuoglu, werde sich nicht zum „Hilfsstaatsanwalt“ machen lassen. Er forderte die übrigen Verteidiger auf, ihr Mandat ebenfalls niederzulegen, betonte aber, daß sein Schritt eine „ganz persönliche Entscheidung“ sei.
Bis gestern nachmittag hatte sich von den rund 20 weiteren Anwälten, die bislang als Verteidiger Öcalans registriert wurden, niemand dem Schritt Okcuoglus angeschlossen. Während einer Pressekonferenz protestierten sie allerdings gegen die Festnahme einer Mitarbeiterin des Anwalts Niyazi Bulgan, der jetzt die Sprecherrolle Okcuoglus übernommen hat. Sibel Ceylan, eine in Belgien lebende Türkin, die erst vor einigen Wochen als Übersetzerin in die Kanzlei Bulgans eingestiegen war, wurde am Wochenende auf dem Istanbuler Flughafen als angebliche Kurierin für die PKK verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, im Auftrag von Bulgan mit Dokumenten aus dem Prozeß und einem Videofilm in die Europavertretung der PKK in Brüssel unterwegs gewesen zu sein. Bulgan behauptet dagegen, Ceylan habe eine Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechteund die Anklage gegen Öcalan an Kollegen in Europa überbringen sollen. Nach einem türkischen Zeitungsbericht hat Sibel Ceylan zugegeben, im „Kurdischen Kulturverein Mesopotamia“ von einer ihr unbekannten Person einen Videofilm angenommen zu haben, den sie an eine Adresse in Brüssel bringen sollte. Sie gehört angeblich einem bekannten PKK-Funktionär. Gegen den Anwalt Niyazi Bulgan wurde ein Verfahren wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung eingeleitet.
Unterdessen ist am Dienstag das komplette Gericht auf die Gefängnisinsel Imrali gebracht worden, wo am Montag der „historische Prozeß“gegen Öcalan beginnen soll. Der Vorsitzende Richter Turgut Okyay betonte noch einmal, daß Öcalan einen „fairen Prozeß“ bekommen werde. „Wenn die Verteidigung mehr Zeit braucht, soll sie das beantragen“, sagte er zu Berichten, nach denen der Prozeß zügig in wenigen Wochen durchgeführt werden soll. Kritik an der Unterbringung Öcalans in einem schußsicheren Glaskasten wies Okyay zurück. Das sei auch in Europa in Terrorismusprozessen so üblich.
Die verbliebenen Anwälte wollen heute abend nach einem Treffen mit Öcalan entscheiden, ob sie eine Vertagung des Prozesses beantragen. Innerhalb der türkischen Führung wird zudem diskutiert, den Prozeß zu vertagen, bis ein Gesetz verabschiedet ist, mit dem die Zusammensetzung des Staatssicherheitsgerichts neu geregelt werden soll. In den laufenden Koalitionsverhandlungen haben sich die drei zukünftigen Regierungsparteien darauf geeinigt, als erstes ein Gesetz einzubringen, wonach Staatssicherheitsgerichte nur mit zivilen Richtern besetzt werden dürfen. Einer der drei Richter im Öcalan-Prozeß ist Offizier.
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