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Andrea Fischer verspricht Stabilität

Der Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform ist auf dem Tisch. Sein Ziel: Ausgabenbegrenzung. Die Ministerin vermutet, daß die Ärzte aus Protest mehr Arzneien als nötig verschrieben haben  ■   Von Tina Stadlmayer

Berlin (taz) – Ziel des Gesetzentwurfes zur Gesundheitsreform, den Ministerin Andrea Fischer gestern in Bonn vorstellte, ist es, eine Explosion der Kosten im Gesundheitswesen zu vermeiden. Auf keinen Fall sollen die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in den kommenden Jahren steigen. Fischer will dieses Ziel mit Hilfe von fünf wichtigen Gesetzesänderungen erreichen:

Grundlage der Reform ist eine strikte Begrenzung der Ausgaben durch ein Globalbudget. Dieses wird jährlich in dem Maße erhöht, in dem die Grundlöhne der Kassenmitglieder steigen. Dabei wird die Steigerung der Löhne im Westen mit der Steigerung im Osten in einen Topf geworden, so daß die Kassen im Osten in Zukunft etwas mehr Geld ausgeben dürfen, als ihre Mitglieder einzahlen, die Kassen im Westen dagegen weniger. Die Ausgaben lagen 1998 insgesamt bei 250 Milliarden Mark. Nach dem Fischer-Entwurf sollen die einzelnen Kassen ihren Anteil vor Ort verwalten. Überschreiten sie ihr Budget, so müssen sie dies innerhalb von zwei Jahren ausgleichen. Ärzten, die ihr Arzneimittelbudget überschreiten, droht Honorarabzug. Besondere Kopfschmerzen bereiten der Ministerin die enorm gestiegenen Kosten im ersten Quartal 1999. Sie vermutet, daß die Ärzte aus Protest gegen die geplante Gesundheitsreform in diesem Zeitraum bewußt mehr Arzneimittel als notwendig verschrieben haben.

Ein weiterer Kernpunkt der Reform ist die Krankenhausfinanzierung. Der Krankenhausbereich verschlingt zur Zeit fast ein Drittel der gesamten Ausgaben. Bislang finanzierten die Länder Neu- und Umbauten der Kliniken; die Kassen trugen die laufenden Kosten. Durch die Reform soll die Finanzierung schrittweise ganz auf die Kassen übergehen. Gleichzeitig sollen die Kassen nicht mehr verpflichtet sein, mit allen Kliniken in einem Land Verträge abzuschließen. Die Ministerin geht davon aus, daß diese Reform Einsparungen bringt, weil Überkapazitäten abgebaut werden. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft befürchtet, dies könne zu Lasten der kleinen Kliniken gehen. Die Gewerkschaften warnen vor Massenentlassungen.

Dritter Punkt der Reform ist die Stärkung der Rolle der Hausärzte. Künftig sollen Allgemeinmediziner die Patienten durch das Gesundheitswesen lotsen. Wer als Patient zuerst den Hausarzt aufsucht, soll belohnt werden. Im Rahmen von Modellversuchen soll geklärt werden, ob diese Neuerung hilft, Geld zu sparen.

Vierter Kernpunkt ist die engere Verzahnung von ambulanten und stationären Behandlungen. Kliniken sollen für besondere ambulante Behandlungen geöffnet werden, Fachärzte dürfen ambulante Behandlungen in den Krankenhäusern anbieten. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung befürchtet, dies werde niedergelassene Fachärzte in den Ruin treiben.

Letzter Punkt ist eine Positivliste für Arzneimittel. Auf dieser Liste stehen alle Arzneien, die von den Kassen bezahlt werden. Eine Kommission von Naturwissenschaftlern und Alternativmedizinern soll die Medikamente auf ihre Wirksamkeit prüfen. Homöopathische Medikamente werden nach anderen Methoden geprüft als chemische. Sie sollen in einen Anhang zur Positivliste aufgenommen werden. Die Hersteller von pflanzlichen Medikamenten können sich entscheiden, ob ihr Produkt in die Hauptliste oder in den Anhang soll. Die Prüfung der Arzneien in der Hauptliste wird etwas strenger ausfallen. Die Kassen müssen jedoch auch die Kosten für Medikamente aus dem Anhang übernehmen.

In einigen Bereichen plant die Ministerin Mehrausgaben, die durch Einsparungen auf anderen Feldern finanziert werden sollen: Die Kassen sollen Patientenberatungsstellen einrichten und Selbsthilfegruppen unterstützen. Die Rechte der Patienten, zum Beispiel bei Ansprüchen, die sich aus Behandlungsfehlern ergeben, sollen gestärkt werden.

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