Biobrot für Hedonisten

Für viele Ökobäcker sind Vollwertigkeit und Genuß kein Widerspruch. Im Zweifel ist auch mal Weißmehl erlaubt  ■ Von Gernot Knödler

Chiabatta ist im Kommen. Das italienische Weißbrot, das nur wie Chiabatta schmeckt, wenn es mit Weißmehl gebacken wird, steht für einen Trend zu weniger Dogmatismus unter den KonsumentInnen von Bio-Backwaren. War es früher für Leute, die sich mit Lebensmitteln aus dem ökologischen Landbau versorgen wollten, selbstverständlich, Vollkornbrot zu essen, machen sie heute zunehmend mal eine Ausnahme.

„Weil viele ökologisch orientierte Leute Weißmehl-Backwaren haben wollen“, entwickelt zum Beispiel der Getreidezüchter Karl-Josef-Müller im Wendland besondere Sorten, die sowohl den rauhen Bedingungen des ökologischen Landbaus als auch den Ansprüchen der Weißmehl-Bäckereien gewachsen sind. Auch viele Bio-Bäcker haben bereits Weiß- oder Mischmehl-Produkte im Angebot oder tragen sich mit dem Gedanken, sie ins Sortiment aufzunehmen.

Für Volker Krause von der Bohlsener Mühle, in deren Bäckerei zu 90 Prozent Vollkornmehl verarbeitet wird, gibt es denn auch überhaupt keinen Grund, Hiobsbotschaften zu verkünden, „nur, weil die Palette sich auffüllt“. Es gebe Leute, die vertrügen einfach keine Vollkornprodukte; andere wollten einfach ab und zu auch mal ein weißes Brötchen essen. „Der Genuß steht vorne“, sagt Krause. In die Zukunft der Vollwert-Bäckerei sieht er optimistisch, denn er ist überzeugt: „Viele Produkte schmecken mit Auszugsmehl einfach nicht so gut.“

Krause sieht den Trend daher „nicht weg vom Vollkorn, eher hin zum Genuß“. Dazu gehöre auch die Vielfalt unterschiedlicher Backwaren, darunter solche, für die helle Mehle ideal sind. „Hauptsache, man weiß was drin ist“, sagt Susan Göttsch vom Passader Backhaus vor den Toren Hamburgs, das ebenfalls zu über 90 Prozent Vollkornmehl verwendet. Ihr Leitsatz ist: „Ökologisch aus Gründen des Umweltschutzes und Vollkorn da, wo es schmeckt.“

Auch unter den ökologisch orientierten Anbau-Verbänden, deren Siegel immer noch die beste Garantie dafür bieten, daß die Ware dem Anspruch auf naturverträgliche Erzeugung entspricht, ist die Vollwert-Ernährung kein allgemein verbindliches Dogma. Dem anthroposophisch orientierten Verband Demeter, zum Beispiel, kommt es mehr auf die Art des Anbaus und der Verarbeitung an, als auf Vollwertigkeit. Das Getreide sei entscheidend, sagt Margret Bahde von der gleichnamigen Demeter-Bäckerei im Hamburger Stadtteil Finkenwerder.

Der Anbau-Verband Bioland dagegen habe sich schwer getan mit den Weißmehl-Produkten, berichtet Backhaus-Mitarbeiterin Susan Göttsch. „Aber irgendwann haben sie gesehen: Die Bäcker setzen einfach nicht genug um, wenn sie nur Vollkornprodukte verkaufen“, sagt sie. Das liegt ihrer Ansicht nach an den Leuten aus der „Flower-Power-Generation“, die älter und lockerer geworden seien.

Sollte die Kundschaft allerdings zu sehr auf Weißmehlprodukte abfahren, würde zumindest Volker Krause die Bremse ziehen. „Wenn wir merken, wir backen 20 bis 30 Prozent Auszugsprodukte, dann würden wir argumentieren“, sagt der Bio-Bäcker. Obwohl er vor zu viel Dogmatismus und Vollwert-Philosophie warnt, sieht er sich seinen Kunden gegenüber in der Pflicht: Man müsse aufklären und, sobald sich das Gefühl einstelle, „die Info ist nicht mehr da“, eben nachlegen.