: „Gewißheit bis zum Jahr 2000“
■ Entwicklungs-Staatssekretärin Uschi Eid über die deutsche Entschuldungsinitiative für den Kölner Wirtschaftsgipfel: Erster Schritt in richtige Richtung. IWF-Auflagen fördern demokratische Reformen
taz: Wenn die Bundesregierung im Juni auf dem G-7-Gipfel mit ihrer Entschuldungsinitiative für die ärmsten Länder Erfolg hat, dann muß der Finanzminister auf drei Milliarden Mark verzichten. Was hält denn Hans Eichel von den zusätzlichen Belastungen für seinen Sparhaushalt?
Uschi Eid: So weit ist es ja noch nicht. Selbst wenn die G 7 unserer Initiative zustimmt, müssen im Herbst noch Weltbank und IWF darüber entscheiden. Erst dann wird man Detailberechnungen anstellen, die Herrn Eichel betreffen.
Mit dem Erlaßjahr 2000, das die internationale Kampagne gleichen Namens fordert, wird es also wohl nichts.
Wir arbeiten daran. Zumindest sollen die betroffenen Länder bis zum Jahr 2000 die Gewißheit bekommen, daß sie sich für einen Erlaß qualifizieren.
Und wann werden dann endlich die ersten Schulden nach der neuen Initiative erlassen?
Das kann recht schnell gehen, wenn beschlossen wird, den Ländern ein höheres Entlastungsvolumen zu gewähren. Dann würden Staaten wie Mosambik oder Bolivien, die die Reformphase schondurchlaufen haben und jetzt zum Erlaß anstehen, noch mehr Schulden erlassen. Auch werden die neuen Bedingungen der HIPC-Initiative wahrscheinlich rückwirkend für Länder gelten, die sich schon bisher für die Initiative qualifizieren, also auch hier ein zusätzlich schneller Erlaß. Bei Ländern, deren Schulden jetzt erstmals im Rahmen der HIPC-Initiative betrachtet werden, hängt es also auch davon ab, ob sich die G-7-Staaten auf die von uns geforderte Dreijahresfrist einlassen, nach deren Ablauf der Schuldenerlaß vorgenommen werden kann.
Die Briten oder Amerikaner haben Entschuldungsvorschläge vorgelegt, die radikaler klingen als der deutsche, der sich auf rund 40 Milliarden Dollar Erlaßvolumen belaufen soll.
Die USA haben angekündigt, sie erlassen 70 Milliarden Dollar. Die britische Initiative beläuft sich ungefähr auf 50 Milliarden. Wenn wir die gleiche Rechenmethodik angewandt hätten, wären wir zu ähnlichen Zahlen gekommen.
Es werden also nicht alle Schulden erlassen, sondern höchstens reduziert.Aber selbst bei den Ländern, die wie Bolivien bereits Schulden gestrichen bekamen, steigt der zu leistende Schuldendienst im Verhältnis zu ihren Exporteinnahmen wieder. Der US-Ökonom Jeffrey Sachs hat dazu gesagt, die Schuldnerländer brächen auf diese Weise zwar nicht zusammen, aber es gehe auch nie besser.
Unsere Initiative ist nur ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir haben nie in Anspruch genommen, daß dieser Entschuldungsvorschlag eine ganz radikale Lösung bringt in dem Sinne, daß alle Schulden gestrichen werden. Wir als neue Regierung, die gleich zu Anfang einen Weltwirtschaftsgipfel in Deutschland ausrichtet, haben uns zunächst einmal im Rahmen der bestehenden HIPC-Initiative bewegt – zu Recht, weil das von allen G-7-Staaten 1996 so gewollt worden ist. Insofern haben wir jetzt einen Vorschlag gemacht, der die Chance hat, von den anderen mitgetragen zu werden.
Politik also als die Kunst des Möglichen. Die HIPC-Initiative wird aber von entwicklungspolitischen Gruppen stark kritisiert, weil sie mit dem strikten Durchziehen von IWF-Programmen verbunden ist. Diese haben in den betroffenen Ländern zu sozialen Verwerfungen und ökologischen Problemen geführt. Warum lösen Sie sich mit Ihrer Initiative nicht von diesen Programmen zur Strukturanpassung?
Es ist nun mal Fakt, daß die ärmsten Länder, über die wir hier sprechen, zum großen Teil ihre Schulden bei IWF, Weltbank und den regionalen Entwicklungsbanken haben. Prinzipiell haben Weltbank und IWF recht, daß mit den erlassenen Schulden dann auch sinnvoll gewirtschaftet wird. Das Problem ist, daß die Strukturanpassungsmaßnahmen im Moment jedenfalls nicht ausreichend nach ökologischen und sozialen Kriterien durchgeführt werden.
Und was tut die Bundesregierung dafür, daß sich das ändert?
Wir, also die Bundesregierung, haben auf der Frühjahrstagung der Weltbank dafür gesorgt, daß Armutsbekämpfung eines der wichtigsten Kriterien ist bei den Reformmaßnahmen, die diese Länder ergreifen sollen.
Warum macht die Bundesregierung keine eigenen Auflagen für Schuldenerlaß? Ich denke da etwa an Gegenwertfonds, in die die Regierungen der Schuldnerländer den Gegenwert der erlassenen Schulden einzahlen, damit dann daraus Sozial- oder Umweltprojekte finanziert werden.
So etwas kann es nur bei dem Erlaß von bilateralen Schulden geben. Und da wird das schon seit Jahren so gehandhabt, daß Teile der erlassenen Gelder in lokaler Währung für Armutsbekämpfung, Umwelt- oder Bildungsmaßnahmen eingesetzt werden müssen. Bei der jetzigen HIPC-Initiative aber haben die verschuldeten Länder doch jetzt schon die Auflage, sechs Jahre lang soziale und demokratische Reformprozesse durchzuführen.
Das ist aber eine sehr euphemistische Sicht von IWF-Programmen.
Doch, doch, die Regierungen müssen beweisen, daß sie eine sinnvolle, eine entwicklungsorientierte Politik machen – wie immer das dann von Ihnen oder von mir gesehen wird. Die internationale Gemeinschaft macht den Ländern also jetzt schon Auflagen. Und dann im nachhinein zu sagen: Das Geld, das ihr jetzt noch erlassen bekommt, das müßt ihr auch noch nach unserem Diktat einsetzen, das halte ich für sehr schwierig.
Bislang bestimmen die Geberländer, sei es in der G 7, sei es mit ihrer Mehrheit in IWF und Weltbank, weitestgehend allein den Umgang mit der Schuldenkrise. Wäre es nicht gerechter, dem Vorschlag des UN-Entwicklungsprogramms zu folgen und die G 7 auch Vertreter des Südens aufnehmen?
Ich befürworte sehr stark partnerschaftliche Strukturen. Wir dürfen aber nicht verkennen, daß es gerade bei Aspekten, die uns wichtig sind – nämlich ökologische und soziale Verträglichkeit – ,bei unseren Partnerländern noch große Vorbehalte gibt. Da bedarf es wohl noch eines ziemlich langen und intensiven Politikdialogs. Interview: Nicola Liebert
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