:
Britisches Einreise-Quiz für Asiaten ■ Von Ralf Sotscheck
Cricket ist das englischste aller Spiele. Ich habe Jahre gebraucht, bis ich die Grundregeln verstand, weil mein Freund John Wolff, ein Engländer, jedesmal lachte, wenn ich ihn danach fragte.
Als ich ihn eines Tages wieder einmal bat, mich in die verwirrende Welt des Cricket einzuweisen, schaute er mich verblüfft an und sagte: „Ich dachte immer, du machst einen Witz, ich habe das auf euren merkwürdigen deutschen Humor geschoben. Aber du scheinst wirklich keine Ahnung zu haben. Dabei kennt doch jedes Kind Cricket.“ Jedes englische Kind vielleicht. Mir dagegen war es stets rätselhaft, warum 20 Männer in weißen Schlafanzügen tagelang auf einer 500 Quadratmeter großen Wiese herumlungern, während einer den Ball auf drei Stäbchen schleudert, die von einem anderen mit einem Schläger bewacht werden. Sobald der erste Regentropfen fällt, was in England ja nicht selten vorkommt, verschwinden die Spieler in der Kabine, während die Zuschauer im Nassen ausharren müssen.
Für Radioreporter sind solche Unterbrechungen ein Alptraum. Einige von ihnen laufen dabei jedoch zur Höchstform auf und erzählen drei Stunden lang Anekdoten aus der Geschichte des Crikket, die bis zum 13. Jahrhundert zurückreicht. Manch Zuhörer schaltet die Übertragung deshalb nur bei schlechtem Wetter ein.
Jedenfalls ist das Spiel so englisch, daß Norman Tebbit, zu Tory-Regierungszeiten der Pitbull von Margaret Thatcher, die Loyalität zur englischen Mannschaft als Voraussetzung für die Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis für asiatische Einwanderer ansah. Was damals nicht ganz ernst gemeint war, ist unter der Labour-Regierung in abgewandelter Form nun eingeführt worden, damit niemand die gerade in England stattfindende Cricket-Weltmeisterschaft zum Vorwand nehmen kann, sich ins Land zu schleichen.
Die Fans aus Indien, Pakistan, Bangladesch und Sri Lanka mußten sich bei der Einreise einem ausführlichen Quiz unterziehen, bevor sie ein Visum bekamen. Ein Mann aus Sri Lanka wurde eine Dreiviertelstunde lang befragt. Die Grenzbeamten wollten wissen, wer Mannschaftskapitän war, als Sri Lanka die Weltmeisterschaft gewann, welche anderen Länder in Sri Lankas Vorrundengruppe sind und wo das Eröffnungsspiel ausgetragen wird. Ein indischer Fan sollte aufsagen, wann Indien zum letzten Mal Weltmeister war und wer der bekannteste Schlagmann der Mannschaft ist. Hunderte von Fans, die eine Frage falsch beantworteten, wurden wieder nach Hause geschickt. Das Außenministerium erklärte: „Bestimmte Leute müssen eben die Gründe für ihren Visumsantrag nachweisen.“ Deepal Ahangama vom Cricket-Verband Sri Lankas sagte: „Der Witz ist, daß Asien die wahre Macht im Cricket ist. Dort ist das Geld, dort sind die Sponsoren, dort wächst die Sportart am schnellsten.“
Vielleicht kann man den Crikket-Test auf andere Sportarten übertragen. Falls England Austragungsort der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wird, könnte man deutsche Fans nach der Aufstellung des Weltmeisterteams von 1954 oder nach Sepp Herbergers Leibspeise fragen. Und welcher Hooligan könnte den Namen des Bayern-Stürmers Hasan Salihamidzic fehlerfrei buchstabieren?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen