: Vom Widerständler zum Senator
■ Der ehemalige tschechoslowakische Dissident und Sprecher der Charta 77, Václav Benda, ist tot
Prag (taz) – „Auch wenn ich mit ihm tausend Male nicht übereingestimmt habe, habe ich immer seine Courage und seinen Willen, in allem er selbst zu sein, respektiert. Ich glaube, die Spur, die er in unserem öffentlichen Leben hinterlassen hat, ist einzigartig“, sagte Tschechiens Präsident Václav Havel gestern über Václav Benda. Der ehemalige Dissident war in der Nacht zu Mittwoch im Alter von 52 Jahren an einer beidseitigen Lungenentzündung in einem Prager Krankenhaus gestorben.
Benda gehörte mit Václav Havel und Petr Uhl zu den Sprechern der Charta 77. Seine politische Laufbahn begann er zur Zeit des Prager Frühlings. Während seines Studiums der tschechischen Literatur wurde er zum Vorsitzenden des unabhängigen Studentenverbandes gewählt und vertrat in der tschechoslowakischen Dissidentenszene die christliche Strömung. Von 1969 bis 1970 lehrte er an der Karlsuniversität Philosophie.
Nach einem weiteren Studium der theoretischen Kybernetik konnte Benda, der seit 1980 auch Mitglied der New Yorker Akademie der Wissenschaften war, aufgrund seiner politischen Aktivitäten nur als Heizer arbeiten. Innerhalb von elf Jahren mußte die Familie – Benda war seit 1967 verheiratet und hinterläßt vier Söhne und zwei Töchter – 13 Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen. Nach der „Samtenen Revolution“ im Jahre 1989 machte sich Benda vor allem einen Namen als Kommunistenjäger. Von 1995 bis 1998 leitete er das Amt der Dokumentation und Verfolgung der Verbrechen des Kommunismus.
Im vergangenen Oktober geriet er in die Schlagzeilen, weil er im Zusammenhang mit der Verleihung des „Weißen Löwen“ an den ehemaligen Wiener Oberbürgermeister Helmut Zilk, Havel angebliche Beweise zur geheimdienstlichen Tätigkeit des Österreichers zuspielte. Als sich nach wenigen Wochen der Skandal in Nichts auflöste, drohte Senator Benda sogar eine gerichtliche Verfolgung wegen Amtsmißbrauchs.
„Erkaltetes Dissidententum, Klüngeleien auf dem Feld der Geheimdienste und mitternächtliche Telefongespräche haben in einem soliden Staat nichts mehr zu suchen“, erklärte damals der stellvertretende Vorsitzende von Bendas Partei, der ODS, Miroslav Macek. In den letzten Jahren wurde Vaclav Benda oft als tragikomische Figur bezeichnet. Aufsehen erregte er auch durch ein Abendessen mit dem chilenischen Ex-Diktator Pinochet. Bendas politische Erbe hat bereits sein Sohn angetreten. Marek Benda ist Abgeordneter der ODS im tschechischen Parlament. Elke Hagenau
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