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Zum heulen schön

■ Zum Abschied vom MOKS zeigt Martin Leßmann das hinreißende Solo „Die Werkstatt der Schmetterlinge“

Gutherzige Erwachsene kennen das: Da sitzt man im Theater, vorne wird hemmungslos Kitsch der Marke „Träume sind keine Schäume“ verbraten – und am liebsten würde man noch während des Stücks auf die Bühne stürmen, um Martin Leßmann fortwährend zu knutschen und ihm zu sagen, daß im Grunde nur Menschen wie er diese irre Welt noch retten können.

Macht man natürlich nicht. Weil's einem peinlich wäre vor all den Leuten. Andererseits: Die meisten BesucherInnen der MOKS-Uraufführung „Die Werkstatt der Schmetterlinge“ wären sicherlich sofort mitgestürmt. Kindern ist halt wenig peinlich. Und das von Martin Leßmann gespielte und inszenierte Stück glich einem mitreißenden Plädoyer für kindliche Unbekümmertheit.

Der junge Rodolfo und seine Freunde Gwendolin, Kalle, Paganini und Fedora gehören zu der seltenen Spezies der „Gestalter aller Dinge“. Ständig erfinden sie in der Insektenwerkstatt Tiere: die Biene, den Marienkäfer, die Heuschrecke – jeden Tag entwirft Rodolfo am Zeichenbrett ein neues Lebewesen. Doch Rodolfo ist unglücklich. Tag und Nacht träumt er von nichts anderem als von einem Wesen, daß so schön wie eine Blume und so leichtfüßig wie ein Vogel sein soll. Eine schier unlösbare Aufgabe. Denn die Regel der weisen Alten besagt, daß die Tier- und Pflanzenwelt nicht miteinander vermengt werden dürfen.

Aber zum Glück geht's im Kindertheater zu wie im Groschenroman. Natürlich gelingt es Rodolfo, gegen alle Widerstände von Seiten der weisen Alten und seinen skeptischen Freunden, dieses wundersame Wesen namens Schmetterling zu erschaffen. Alle sind überwältigt von seiner Schönheit, der große Rat gründet eine eigene Werkstatt der Schmetterlinge, und Rodolfo wird zur Serienproduktion verdonnert.

So simpel die Moral von der in Anlehnung an ein Bilderbuch der Schriftstellerin Giocanda Belli entwickelten Geschicht' auch ist, nie rutscht sie auf das Niveau einer weltverklärenden Schmonzette herab. Was sich allein Martin Leßmanns grandiosem Spiel verdankt. Weniger mit Worten, in denen zuweilen die „Macht der Phantasie“ arg strapaziert wird, als vielmehr in Körpersprache und Mimik vermag er für sich und seine Botschaft einzunehmen. Wenn er da in seiner Werkstatt im Schein der von Gwendolin geschaffenen Glühwürmchen sitzt und mit großen Augen seinen Traum zu realisieren sucht, ist der Glaube an die Kraft der Visionen überall zu spüren. Allerkleinste Gesten – das aufgeregte Wackeln der Feder, das zärtliche Streichen über ein Stück Papier – und Leßmann füllt den Raum sofort mit jener Energie, die tatsächlich nur Menschen verströmen, die unbeirrt an ihren Träumen festhalten. Und wenn Leßmann in den schönsten Momenten zur großartigen Musik von Fabian Teichmann durch seine kleine Werkstatt flitzt, ist jeder Zweifel daran, daß Kindertheaterstücke die Welt, wie sie wirklich ist, verändern können, verflogen.

Die Ankündigung, daß Leßmann mit dieser Inszenierung das MOKS verlassen wird, reißt einen unsanft zurück in die traurige Wirklichkeit. Die Kinder hat diese Ankündigung jedoch nicht gejuckt. Am Ende stürmten sie die Bühne, schenkten Leßmann Blumen und sammelten die Schmetterlinge ein, die kurz zuvor zu Hunderten kunterbunt vom Himmel herabgeschwebt waren. Zum heulen schön! Franco Zotta

Weitere Vorstellungen: 12./26. Juni und 3. Juli um 17 Uhr. 7./8./10./11./22./23./25./29./30. Juni und 2. Juli jeweils um 10.30 Uhr

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