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■ VorlaufSoignierter SS-Mann

„Juden zum Verkauf „, 22.30 Uhr, Südwest 3

Kurt A. Becher, hochbetagter und steinreicher Kaufmann in Bremen, hat in seiner Biographie einen Webfehler. Im 2. Weltkrieg war er SS-Standartenführer, Vertrauter Heinrich Himmlers und von diesem 1944 beauftragt, mit den Westalliierten ins Geschäft zu kommen. Der Auftrag: Juden gegen Lastwagen, „Blut gegen Ware“. Himmler und Becher war klar, daß der Krieg verloren war. Was lag näher,als einen letzten Fischzug zu unternehmen und sich zudem den Alliierten als Retter jüdischen Lebens zu empfehlen? Das Unternehmen schlug fehl. Daß ein Teil der Budapester Juden schließlich gerettet wurde, hatte mit Bechers SS-Unternehmen nichts zu tun.

Es ist das Verdienst der Filmemacherin Tina Mendelson, Kurt A. Becher zu einem Interview überredet zu haben. Was der soignierte alte Herr vor der Kamera zu sagen hatte, war allerdings voraussehbar: Er habe den Nazis das Leben einiger tausend „Stück“ Juden abgetrotzt. Dieser Rechtfertigung hatte Mendelsohn wenig entgegenzusetzen. Sie erwähnt zwar Bechers SS-Karriere und streift auch seine lukrativen Geschäfte im seit 1944 von Deutschen besetzten Budapest. Sie hütet sich aber taktvoll, Becher im Interview mit solchem Schmutz zu konfrontieren. Erstaunlich ist auch, daß Mendelsohn von den Materialien des Eichmann-Prozessses keinen Gebrauch macht, die den Schrekken nochmals aufrollten.

Trotz solcher Mängel schildert Mendelsohns Film eindrucksvoll die verzweifelten Versuche jüdischer Menschen, in den Besitz von Dokumenten zu gelangen, die sie – durch Freikauf oder Tausch – vor der Vernichtung hätten retten können. Sie beschreibt auch einfühlsam die Lage derjenigen jüdischen Funktionäre, die um der Rettung willen einen Pakt mit dem Teufel schlossen. Rudolf Kastner vom Budapester jüdischen Rettungskomitee hat seine Zusammenarbeit mit Kurt Becher nach 1945 in Palästina mit dem Leben bezahlen müssen. Ein anderer Emissär, Joel Brandt, wurde im Nahen Osten von den Alliierten festgesetzt. Christian Semler

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