: Riester will bei Renten kürzen
■ Der Arbeitsminister plant, den Anstieg niedriger ausfallen zu lassen als festgelegt. Finanzminister Eichel hat sein Sparpaket von 30 Milliarden Mark fast beisammen
Bonn (AP/dpa/taz) – Die Bundesregierung will offenbar auch bei Rentnern und Arbeitslosen den Rotstift ansetzen, um das Haushaltsloch zu stopfen und eine Steuererhöhung zu vermeiden. Wie Spiegel und Focus berichteten, habe Arbeitsminister Walter Riester (SPD) vorgeschlagen, den Rentenanstieg niedriger ausfallen zu lassen als festgelegt. Zudem wolle er die Beiträge des Bundes zur Sozialversicherung von Arbeitslosen reduzieren.
Nach den bekanntgewordenen Plänen sollen die Renten in den kommenden beiden Jahren nur halb so stark steigen wie nach den Tarifabschlüssen und dem Nettolohnanstieg eigentlich erforderlich. Mit dieser Maßnahme könnte der Bund vier Milliarden Mark sparen. Außerdem ist damit die Absenkung des Rentenbeitragssatzes um rund einen halben Prozentpunkt möglich. Eine Sprecherin des Arbeitsministeriums nannte die Berichte reine Spekulation. Finanzminister Hans Eichel (SPD) äußerte sich in einem Zeitungsinterview dazu nur sehr allgemein: „Es wird auch im Jahr 2000 eine Rentenerhöhung geben“, so Eichel. Zum Umfang äußerte er sich nicht.
Weitere vier Milliarden Mark soll dem Spiegel zufolge die Reduzierung der vom Bund bezahlten Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung von Arbeitslosen bringen. Sie sollten künftig nicht mehr nach dem letzten Bruttoverdienst, sondern nach den niedrigeren Lohnersatzleistungen berechnet werden. Dadurch bekämen Arbeitslose später eine niedrigere Rente.
Insgesamt hat Eichel den Berichten zufolge sein Sparziel von 30 Milliarden Mark fast erreicht. Damit könne er im Haushalt für das kommende Jahr ohne Steuererhöhungen auskommen, hieß es. Der Bild am Sonntag sagte Eichel, er sei zuversichtlich, die Mehrwertsteuer nicht erhöhen zu müssen. Allerdings seien die Kosten für die Militärstationierung und den Wiederaufbau im Kosovo „noch eine unbekannte Größe“.
Der Finanzminister verteidigte mögliche Einsparungen bei Sozialleistungen. Wenn es um die Konsolidierung des Etats gehe, könnten sie nicht ausgenommen werden, weil der Bundeshaushalt „zu 40 Prozent ein Sozialhaushalt“ sei. Eine Mehrheit der Bevölkerung, 54 Prozent, hält es jedoch für falsch, bei Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfängern zu sparen. Immerhin 39 Prozent nannten es aber richtig, wie es in einer Umfrage des Dimap-Instituts heißt.
Der Ökonom Rolf Peffekoven rechnet im Gegensatz zum Finanzminister mit einem Defizit von rund 33 Milliarden Mark. Das wären drei Milliarden mehr, als Eichel sparen will. Peffekoven, einer der sogenannten fünf Weisen, sprach sich in einem Zeitungsinterview gegen einen Ausgleich per Mehrwertsteuererhöhung aus und forderte, die Finanzierungslücke mit dem Abbau von Subventionen, Personalkosten und auch Sozialleistungen zu schließen.
In der Diskussion über die Ökosteuer sprach sich Eichel für eine niedrige, aber regelmäßige Anhebung der Mineralölsteuer über einen längeren Zeitraum aus. „Es gibt eine Reihe europäischer Länder, die eine berechenbare jährliche Erhöhung vornehmen. Ich halte es auch bei uns für sinnvoll, langfristig mit niedrigen Raten die Mineralölsteuer regelmäßig anzuheben“, sagte Eichel.
Die Grünen-Vorstandssprecherin Antje Radcke verlangte, den Transrapid auf die Sparliste zu setzen. Auch große Autobahnprojekte müßten überprüft werden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, warf der Regierung vor, den Kosovo-Konflikt zum Anlaß zu nehmen, eine „vorbereitete Mehrwertsteuererhöhung“ und die regelmäßige Erhöhung der Mineralölsteuer „durchzudrücken“. Die FDP beantragte eine aktuelle Stunde zur Steuerpolitik am morgigen Dienstag, wenn der Bundestag zu einer Sondersitzung zusammenkommt, um unter anderem über die Konsequenzen der neuen Lage im Kosovo zu beraten.
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