: Im Stereotypendickicht
■ Zwei Lachfiguren in einer: Django Asül beim „Kabarett-Festival“
Warum lacht man eigentlich beim Kabarett? Weil man stolz auf seine kognitive Leistung ist: Um die Ecke denken ist ja nicht gerade eine leichte Übung. Besonders aber gilt die Sentenz „Schadenfreude ist die reinste Freude“.
Django Asül forciert diese menschliche Unart in seiner Show Hämokratie in den Hamburger Kammerspielen und reitet den Abend über im Dickicht der Stereotypen herum. Das will ihm auch keiner übelnehmen, denn der Kabarettist ist sowohl Niederbayer als auch Türke – und unter solchen Umständen darf man sich über den türkischen Klischee-Ehemann lustig machen, der seiner Frau statt Prügel „nur eine Woche Hausarrest“ verpaßt.
Zum Glück darf dieser seinerseits darauf herumhacken, wie beschränkt denn „der Deutsche an sich“ sein muß, um die alltägliche Talk-Flut zu überdauern: „Hilfe, meine Brüste sind zu groß“ beziehungsweise „Hilfe, mein Pimmel ist zu klein“ sind die tiefschürfenden Probleme, die die deutsche Seele bewegen.
Bei der Lästerei müssen besonders die Niederbayern ihr stereotyp rassistisch-dümmliches Haupt hinhalten. In so eines schlüpft Asül immer wieder hinein und verkündet über den vergangenes Jahr ausgewiesenen Mehmet in deftigstem Dialekt: „Sind wir schon wieder so weit, daß er dahin muß, wo der Deutsche seinen ehrlich verdienten Urlaub verbringt?“
Da lacht der Hamburger. „Wir Kabarettisten haben einen pädagogischen Auftrag“, so der Künstler. Deshalb ist die geschichtsstudierte Zuschauerin im Parkett gefundenes Fressen: Einmal wußte sie nicht die richtige Antwort, und schon wird sich ohne Unterlaß königlich auf ihre Kosten amüsiert.
Wenngleich Django Asül sich am Ende mit „Das war alles abgesprochen“ entschuldigt, ist doch eines klar: Wer gerne der Schadenfreude frönt, ohne schnell kombinieren zu können, sollte sich beim Kabarett nie in die erste Reihe setzen.
Liv Heidbüchel
noch heute, 20 Uhr, Hamburger Kammerspiele
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