piwik no script img

Querspalte

■ Ahnungslose Dentisten

 Lachen Sie nicht, ich habe gerade eine Spritze bekommen. Zugegeben: Der Zeitpunkt für eine Diskussion ist vielleicht gerade etwas ungünstig gewählt. Die linke Gesichtshälfte ist gefühllos, die Zunge fühlt sich an, als würde sie unkontrolliert aus dem Mundwinkel hängen, und trotzdem muß jetzt diese Frage gestellt werden: „Hagen Hie ma', much has henn allech hein?“ – „Ja, es muß“, sagt der Zahnarzt, setzt ein beruhigendes Grinsen auf und wirft geschäftig den Bohrer an.

 Was der Patient nicht weiß: Oft genug muß es überhaupt nicht. Beziehungsweise: könnte auch ganz anders. Diese Erkenntnis verdanken wir einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts der Allgemeinen Ortskrankenkassen (WIdO). Für dessen Untersuchung hatten zwanzig Versuchspersonen jeweils zehn Zahnärzte aufgesucht, um sich in Sachen Krone, Brücke und Prothese beraten zu lassen. Ergebnis: Jeder Dentist fand etwas anderes, wollte unterschiedliche Zähne versorgen, kein Kostenvoranschlag glich dem nächsten. Die Autoren der Studie stellten „eine große Beliebigkeit der Therapievorschläge“ fest. Verarscht uns unser Zahnarzt also regelmäßig? Setzt er uns, einem verschlagenen Automechaniker nicht unähnlich („Ich hab' gleich noch 'ne neue Muffe für die Kardanwelle bestellt.“), vollkommen überflüssige Reparaturleistungen auf die Rechnung?

 Der Verdacht liegt nahe, aber die Wahrheit ist wohl noch viel erschreckender: Die Zahnärzte haben nicht die geringste Ahnung, was mit schmerzgeplagten Patienten zu tun sei. „Da müssen wir ... diesen schlimmen ... äh ... Backenzahn ... nee ... Weisheitszahn ... äh ... Sie bekommen jetzt erst mal eine Spritze“, sagt der Zahnarzt, setzt ein beruhigendes Grinsen auf und wirft geschäftig den Bohrer an. Stefan Kuzmany

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen