: Die Nato mißtraut der UÇK
■ Die Führer der „Kosovo-Befreiungsarmee“ haben Wohlverhalten versprochen. Sie hoffen auf eine Umwandlung in eine Polizeitruppe
Noch sind die serbischen Soldaten nicht aus dem Kosovo abgezogen, da wird in den Hauptquartieren der Nato-Truppen schon die Frage gestellt, wie sich die UÇK-Truppen beim Einmarsch der „Kosovo-Force“ verhalten werden. Werden sie den ungehinderten Rückzug der serbischen Truppen zulassen? Werden sie ihre eigene Entwaffnung zulassen? Selbst den Erklärungen der Führer der beiden UÇK-Fraktionen – sowohl von Hashim Thaci wie von dem Exil-Premierminister Bujar Bukoshi –, die UÇK werde mit den Friedenstruppen kooperieren und den westlichen Forderungen nachkommen, wird mit Mißtrauen begegnet.
Die Nato will der UÇK keine Gelegenheit geben, in die von den serbischen Truppen aufgegebenen Gebiete einzurücken. Sie will kein politisches und militärisches Vakuum entstehen lassen und sofort einrücken, wenn die serbischen Truppen in Bewegung sind. Einheiten der UÇK, die in Albanien stationiert sind und darauf warten, innerhalb des Kosovo eingesetzt zu werden, stehen unter einem gemeinsamen Kommando der beiden Fraktionen. Da beide politischen Führungen sich kooperationsbereit zeigen, dürfte von dieser Seite keine Gefahr für die Strategie der Nato ausgehen.
Die Serben haben dafür gesorgt, daß die Wege von der albanischen Grenze in das Kosovo weitgehend unpassierbar sind. Noch dieser Tage werden Minen gelegt. Auch die serbische Artillerie ist sehr aktiv.
Daß Nato-Flugzeuge in den letzten Wochen fünfmal Stellungen der UÇK bombardiert haben, gerade zu einem Zeitpunkt, als die UÇK versuchte, in die Offensive zu gehen – so am 22. Mai in Koshare und letzte Woche in der Region um den Grenzübergang Morina bei Kukes –, kann nach Ansicht von Insidern aus der UÇK nicht mehr als Versehen begründet werden. Sie werten sie als klare Hinweise an die Führung der UÇK, nicht zu weit nach vorn zu rücken und von sich aus die Befreiung Kosovo durchzusetzen.
In der albanischen Presse war über diese Vorfälle geschwiegen worden, die UÇK hat sie nicht an die große Glocke gehängt. Beide Fraktionen versuchten auf diese Weise, das Vertrauen der Nato und der westlichen Staaten zu gewinnen, sie versuchen weiterhin, sich als verläßliche Partner darzustellen. Deshalb werden sie auch die kämpfenden Truppen im Inneren des Kosovo anhalten, den Auflagen der Nato zu folgen und ruhig zu bleiben.
Die Hoffnung jedoch, die Professionalisierung der UÇK würde zur Bereitschaft führen, sie als Polizeitruppe in das künftige Protektorat zu integrieren, ist bisher nicht in Erfüllung gegangen. Ihre Umwandlung in eine Polizeitruppe wäre aber die beste Möglichkeit, die UÇK als Armee aufzulösen. Und sie gäbe den kämpfenden Einheiten eine Perspektive. Zwangsmaßnahmen dagegen könnten Teile der Organisation in den Untergrund treiben – auch in einem UN-Nato-Protektorat. Erich Rathfelder, Tetovo
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