: Heimreise erst mal nur auf Probe
■ Thüringens Innenminister Richard Dewes zur Rückkehr der Kosovo-Flüchtlinge aus Deutschland in ihre Heimat: Vor dem Winter kein Zwang
taz: Herr Dewes, Hauptthema der gestern zu Ende gegangenen Innenministerkonferenz in Dresden war das Kosovo. Zu welchen Ergebnissen kam die Konferenz?
Richard Dewes: Die Länder haben erklärt, daß sie es als ihre Pflicht ansehen, sich jetzt schnell mit dem Bund gemeinsam für eine wirksame Aufbauhilfe einzusetzen. Wir müssen zunächst die Entminung des Kosovo organisieren, eine Grundinfrastruktur – etwa Versorgungswege, Wasser oder medizinische Hilfe – errichten und dann einfachste Aufbauprojekte sowie die Hilfe zur Selbsthilfe fördern. Und wir müssen eine zivile Ordnung im Kosovo installieren. Dazu werden die Länder Polizei- und Fachkräfte, wie das Technische Hilfswerk und Bauexperten, zur Verfügung stellen.
Auch Finanzhilfen der Länder stehen bereit. Oberstes Ziel muß sein, den Flüchtlingen so schnell wie möglich ihre Rückkehr zu ermöglichen.
Bayerns Innenminister Beckstein und Berlins Innensenator Werthebach hatten im Vorfeld der Konferenz angemahnt, auch die nach Deutschland gekommenen Kontingentflüchtlinge jetzt schnell zurückzuschicken. Wie steht die Innenministerkonferenz dazu?
Werthebach hat uns versichert, daß er das so nicht gefordert hat, sondern nur falsch zitiert wurde. Die Debatte, die da vorher aufgemacht wurde, ist eine Scheindebatte. Es gab in Dresden nur ganz geringe Differenzen zwischen CDU- und SPD-Innenministern.
Wir müssen uns zuerst um die fast eine Million Flüchtlinge in Albanien, Makedonien und im Kosovo selbst kümmern. Keines der dortigen Flüchtlingslager läßt sich winterfest machen. Wenn wir jetzt nicht dafür sorgen, daß die Menschen dort in ihre Heimat zurückkommen, werden wir zum Winterbeginn einen Strom von Kosovaren nach Westeuropa bekommen. Das weiß auch mein Kollege Beckstein. Jemanden aus Deutschland vor dem Winter zurückzuschicken, ist nicht zu verantworten.
Sie haben auf der Konferenz auch über Rückkehrhilfen und die Kosovo-Flüchtlinge, die illegal nach Deutschland gekommen sind, beraten. Mit welchem Ergebnis?
Zunächst werden wir gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium den Flüchtlingen eine Art „Heimatreise“ ermöglichen, damit sie sehen können, wie es um ihre Häuser steht. Wer dann freiwillig schon vor dem Winter zurückkehren will, soll – ähnlich wie bei den Bosnienflüchtlingen – eine finanzielle Rückkehrhilfe bekommen. Was die Nicht-Kontingent-Flüchtlinge betrifft: Die Innenminister haben sich darauf verständigt, diese jetzt nach dem selben Schlüssel auf die Länder aufzuteilen, der auch für Asylbewerber gilt.
Können Sie mir sagen, welche konkreten Schritte jetzt folgen werden?
Wir müssen im Moment erst einmal alle Fakten zusammentragen, die sich aus der neuen Situation ergeben. Bundesinnenminister Otto Schily wird in den nächsten zwei bis drei Wochen eine Vorlage erarbeiten, über die wir dann im Juli in Bonn beraten. Unmittelbar danach kann etwa mit der Entsendung der Polizeitruppe begonnen werden. Die wird nach den Schätzungen des Bundesinnenministeriums insgesamt etwa 1.500 bis 3.000 Mann betragen, von denen wahrscheinlich ein Zehntel aus Deutschland kommen wird.
Interview: Nick Reimer
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