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Ein Siegeszeichen als Willkommensgruß

■ Russische Einheiten treffen in Serbien ein. Moskaus Rolle in der KFOR weiter unklar

Moskau ist immer für eine Überraschung gut: Bereits gestern trafen die ersten russischen Einheiten für die internationale Kosovo-Friedenstruppe (KFOR) in Serbien ein. Die Einheiten kamen gegen 10.30 Uhr am Grenzübergang Pavlovica Cuprija nach Jugoslawien. Es handelte sich um 16 gepanzerte Truppentransporter, 23 Lastwagen mit Soldaten, zwei Jeeps und zwei Spezialfahrzeuge mit Funkausrüstung. Die russische Nachrichtenagentur Interfax meldete, der Militärverband bestehe aus 500 Fallschirmjägern. Die russischen Soldaten machten das Victory-Zeichen und wurden von der Bevölkerung jubelnd begrüßt. Auf den Militärfahrzeugen waren sowohl die russischen Kennzeichnungen als auch die Buchstaben KFOR angebracht.

Gestern nachmittag meldete Interfax, daß tausend russische Soldaten auf dem Lufthafen warteten und am Nachmittag auf dem Luftweg in mehrere Städte des Kosovo gebracht werden sollten.

Die Nato wollte zu den widersprüchlichen Berichten zunächst nicht Stellung nehmen. US-Vizepräsident Al Gore und US-Außenministerin Madeleine Albright erklärten, Moskau habe zugesagt, bis zu einer Einigung keine Soldaten zu entsenden.

Auch Moskau hüllte sich zunächst in Schweigen. Weder die Präsidialkanzlei noch das Verteidigungsministerium wollten sich äußern, wer für den Marschbefehl verantwortlich zeichnet. Das Verteidigungsministerium lehnte es sogar grundsätzlich ab, den Vorgang zu kommentieren.

Schließlich fühlte sich Außenminister Igor Iwanow zu einer Stellungnahme berufen. Trotz ihrer Verlegung an die innerjugoslawische Grenze würden russische Soldaten „noch nicht“ in das Kosovo vorrücken, die Aktion werde aber vorbereitet, erklärte Iwanow gestern nachmittag in einer ersten öffentlichen Reaktion Moskaus. Er verwies auf die in der Kosovo-Resolution des UN-Sicherheitsrates vereinbarten „synchronisierten Militärbewegungen“ der jugoslawischen Armee beim Abzug aus dem Kosovo und dem Nachrücken der internationalen Friedenstruppen KFOR.

Zur beabsichtigten Rolle russischer Truppen im Kosovo und in der KFOR hielt sich Iwanow bedeckt. „Es ist noch zu früh, darüber zu reden, ob das eine Zone oder ein russischer Sektor wird“, zitierte ihn die Agentur ITAR-TASS. „Es geht darum, daß Rußland gleichberechtigt an der internationalen Kosovo-Operation beteiligt wird.“

Die Zurückhaltung des Außenminister hat gute Gründe. Am Morgen waren die Verhandlungen zwischen Iwanow und dem stellvertretenden US-Außenminister Strobe über Einzelheiten des Einsatzes russischer Truppen im Kosovo zunächst ergebnislos abgebrochen und auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Unterdessen hieß es, Talbott sei wieder auf dem Weg nach Moskau.

Nach wie vor bleibt umstritten, ob Moskau einen eigenen Verwaltungssektor erhält. Der russische Verhandlungsleiter General Leonid Iwaschow gab sich gestern kombattant: „Wir werden nicht betteln: Gebt uns dieses Stück“, meinte der Chef der Internationalen Abteilung des Verteidigungsministeriums. „Wenn wir uns nicht einigen, sprechen wir uns mit der jugoslawischen Seite ab und bestimmen einen Sektor, der auch unseren Interessen entspricht.“

Iwaschow genießt den Ruf eines Falken innerhalb des russischen Militärs. Seit jeher spielt er den Böswicht. Ob die konfrontative Taktik vom Kreml abgesegnet wurde oder er auf eigene Rechnung arbeitet, ist unklar. Wahrscheinlich fährt der Kreml bewußt eine Doppelstrategie und lenkt im entscheidenden Moment ein. Unterdessen gab sich Jelzin kämpferisch: „Wir haben getan, was wir tun mußten. Die Beziehungen zur Nato sind eingefroren. Was die Zukunft bringt, werden wir sehen.“ dpa, rtr, APF, taz

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