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Scream    ■ Von Frank M. Ziegler

Letztens hab' ich mir von unserer Nachbarin Frau Zöller-Kaufhold ihr Handy ausgeliehen. Ich wollte auch mal wissen, wie das ist, Elektrosmog mit sich herumzutragen. Außerdem dachte ich, man könne lustige Sachen damit anstellen. Zum Beispiel hab' ich mich heimlich mit dem Handy in mein Zimmer gestellt und einen auf „Scream“ gemacht. Das heißt: Ich hab' die Nummer unseres Gemeinschaftsanschlusses gewählt, und nebenan in der Küche ging meine Mitbewohnerin Heike an den Apparat.

Heike: „Ja, Heike.“

Ich (mit voll gut verstellter Stimme): „Ich bin gaaanz naah! Ich mach' dich tooot!“

Heike: „Was soll'n der Scheiß?“

Ich: „Willst du miiiir nicht drei Fraaagen beantwooorteeen, bevoor ich dich toooot macheee?“

Heike (kommt in mein Zimmer und schlägt mich mit einem nassen Geschirrhandtuch): „Gleich mach' ich DICH tot, du Arschloch!!“

Warum solche Telefonterror-Sachen immer nur in „Scream“-Filmen funktionieren und nur bei uns nie, weiß ich nicht; jedenfalls hatte ich ruck, zuck! die Ecke von dem nassen Handtuch ins Auge gekriegt und war halbseitig blind, und in Filmen ist irgendwie immer alles viel spannender.

In „Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast“ zum Beispiel. Da läuft ein gestörter Typ mit einem Haken am Arm rum und schlitzt damit kreischende Teenager auf. Sowas ist ja momentan voll trendy. In Läden, die mit Scheiße Geld verdienen und wo es „Aliens im Glas“ und „Akte X-Autoquartett“-Spiele gibt, kann man sich solche Armhaken jetzt für den Hausgebrauch kaufen. Jochen hat so einen.

Jochen wohnt bei uns in der WG und kauft auch für 60 Mark lebensgroße Pappaufsteller von Obi-Wan Kenobi aus „Star Wars“, die dann dumm in unserer Wohnküche rumstehen und den Weg zum Backofen versperren. Man kann nicht mal Mülltüten dranhängen, sonst kippt Opi-Wan Kenobi um und verbrennt sich das Kinn an der Herdplatte.

Als Jochen seinen Armhaken gekauft hatte, zog er ihn über und stellte sich abends hinter die Badezimmertür, um Heike zu erschrekken. Aber Heike war mit ihren doofen Freundinnen im Kino und guckte „Scream2“, und da ist Jochen mit seinem Arm hinter der Tür eingeschlafen, und als ich aufs Klo mußte, hab' ich ihm die Tür an den Kopf gehauen, und Jochen hat „aua“ geschrien und ist mit dem Haken an Heikes Bademantel hängengeblieben und hingefallen. Da hatte er einen verstauchten Arm und eine Beule am Kopf, und Heike hat ihn verdroschen, weil ihr schöner Frottee-Bademantel kaputt war.

Ich hab' dann am nächsten Tag mit dem Handy bei Jochen im Büro angerufen und mit ganz toll verstellter Stimme gesagt: „Iiich bin gaaaaanz naaaah! Ich weisss, daß du einen Bademanteeeel zerstöööört haaaast! Dafüüür wirst du steeeerbeeeen!“

Aber Jochen hat gar keine Angst gekriegt, weil nämlich aus Versehen sein Kollege Herr Werni dran war, und der hat gesagt: „Ich denke, Sie haben sich verwählt. Und das ist auch besser für Sie.“ Da habe ich das Handy wieder zu unserer Nachbarin Frau Zöller-Kaufhold rauf gebracht, wegen permanenter Nutzlosigkeit.

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