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Senat drückt sich um Heroinversuch

■  Der Senat wird sich nicht am bundesweiten Modellversuch zur staatlich kontrollierten Heroinvergabe beteiligen. PDS, Grüne und Ärztekammer kritisieren, daß sich die rigide Drogenpolitik des Innensenators durchgesetzt habe

Berlin wird sich zunächst nicht an dem bundesweiten Modellversuch zur ärztlich kontrollierten Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige beteiligen. Das bestätigte gestern die Landesdrogenbeauftragte Elfriede Koller gegenüber der taz.

„Fakt ist, daß der Senat vor der Wahl keinen Beschluß zu dieser Frage fassen wird“, sagte Koller. Ein solcher Beschluß aber ist die notwendige Voraussetzung für die Teilnahme an dem Modellprojekt. Das Hauptproblem, so Koller weiter, sei die Finanzierung des Versuchs, der Berlin rund sechs Millionen Mark kosten würde. „Wir müssen im kommenden Jahr aber Mittel einsparen.“ Derzeit stehen für die Drogenhilfe 17,2 Millionen zur Verfügung.

Als „unverantwortlich“ hat der sozialpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Michael Haberkorn, gestern die Entscheidung aus dem Hause der zuständigen Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) kritisiert. „Berlin hat eine große Klientel, der ein solcher Modellversuch helfen könnte.“ Auch Minka Dott, die drogenpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion, sprach von einer „falschen Entscheidung zu Lasten von Schwerstkranken, die anders nicht zu erreichen sind.“ Der Präsident der Ärztekammer, Günther Jonitz, kritisierte besonders Innensenator Eckart Werthebach (CDU): „Ich bedauere sehr, daß der Innensenator soziale Probleme ignoriert und mögliche Lösungsansätze blokkiert“, sagte Jonitz zur taz. Werthebach hatte die Teilnahme an dem Modellprojekt stets strikt abgelehnt. Mit dieser Position hat er sich jetzt gegen die zuständige Ingrid Stahmer durchgesetzt. Diese wollte, daß sich Berlin mit 200 bis 300 TeilnehmerInnen an dem Versuch beteiligt.

Inzwischen haben nach Angaben der Landesdrogenbeauftragten Hamburg, Hannover, Frankfurt/Main, Essen und Düsseldorf ihre Teilnahme an dem Modellprojekt zugesagt, das im ersten Quartal des kommenden Jahres beginnen und drei Jahre laufen soll. Der Versuch richtet sich an erwachsene Schwerstabhängige, die mehrere erfolglose Therapieversuche hinter sich haben oder bisher von Drogenhilfeangeboten nicht erreicht wurden. Koller hofft nun, obwohl Berlin nicht zu Beginn des Versuchs dabei sei, zu einem späteren Zeitpunkt noch einzusteigen. Ein Einstieg Berlins im kommenden Jahr sei zwar prinzipiell nicht auszuschließen, aber schwierig, hieß es dazu gestern im Bundesgesundheitsministerium. Sabine am Orde ‚/B‘Die Ambulanz für integrierte Drogenhilfe und die Ärztekammer führen am 25./26. Juni eine Tagung zum Thema durch. Telefonische Infos unter 21 47 71 27.

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