: „Es gibt keine laschen Spiele“
■ Gespräch mit Tina Theune-Meyer, Trainerin des deutschen Fußball-Nationalteams der Frauen, das am Sonntag in Los Angeles gegen Italien sein erstes Spiel der Weltmeisterschaft bestreitet
taz: Vom englischen Philosophen John Stuart Mill stammt das Zitat: „Man wird wohl zugestehen müssen, daß die Kenntnis der Männer von dem, was Frauen sind, erbärmlich unvollständig und oberflächlich sein muß und bleiben wird, bis Frauen selbst alles getan haben, was sie zu tun vermögen.“ Was lehren fußballspielende Frauen die Männer?
Tina Theune-Meyer: Ich schau sehr gerne rüber zu den Männern, aber ich bezweifle, daß die das auch machen.
Was haben die Frauen den Männern voraus?
Die Begeisterungsfähigkeit. Es gibt bei uns keine laschen Spiele, keine von der cleveren Art, wo man ein 1:0 über die Runden schaukelt.
Inspiriert Sie mehr der Sepp Herberger oder halten Sie es auch mit Simone de Beauvoir?
(Lacht). Von der Einstellung her kann ich beiden folgen. Unter Sepp Herberger sah damals ja alles ganz anders aus, vielleicht vergleichbar mit unserer heutigen Situation im Frauenfußball.
Der Sepp Herberger des Frauenfußballs war ja Gero Bisanz?
Ja, das stimmt.
Was unterscheidet Sie von Ihrem Vorgänger?
Erst mal: Er ist ein Mann, und ich bin eine Frau. (Lacht). Die Spielerinnen haben mir mal gesagt, daß ich viel mehr Verantwortung verteile und mittendrin bin. Von Gero Bisanz habe ich auf der anderen Seite sehr, sehr viel gelernt.
Zum Beispiel?
Sein Motto war: Alles muß Spaß machen. Auch eine WM. Vor allem eine WM. Dann war er sehr präzise in der Kritik an Spielerinnen und Mannschaft. Er konnte sehr gute Hinweise geben.
Zukunftsforschern des Hamburger Trendbüros zufolge gibt es vier Frauentypen: „Smarte Schlampe“; „Öko-Spiritistinnen“; „Neue Hausfrau“ und „Moderne Amazone“. Wozu gehören Ihre Schützlinge?
Auf jeden Fall Amazone. (Lacht).
Wieso?
Ich suche mit Vorliebe freche Spielerinnen aus, die auch mal was wagen. Wir haben auch ein paar Schlampen dabei. Im Hotel ist es nicht immer so superordentlich. Aber wir bemühen uns. Wir haben eine ganz gute Mischung.
Kann Frauenfußball je aus dem Schatten der Männer treten?
Fifa-Präsident Blatter hat prophezeit, im nächsten Jahrtausend ist der Fußball feminin.
Soll das heißen, daß die Männer femininer spielen, oder daß sich die Frauen durchsetzen?
Nein, es wird in Richtung gestiegene Akzeptanz gehen. Fußball ist die Sportart Nummer eins für Frauen. Weltweit und auch in Deutschland. Es ist die einzige Boom-Sportart bei Frauen.
Ich lese Ihnen mal ein Zitat eines Feuilletonisten der „FAZ“ vor: „Frauen, die ... an Fußball teilhaben möchten, wird dies bloß dann gestattet, wenn sie den Männerjargon erlernen und eine Mimikry an die männliche Fußballerotik vollziehen.“
Na ja, es gibt ja auch eine frauliche Erotik. Meine Spielerinnen sind sehr talentiert und sehr verspielt, versuchen immer zu kombinieren oder was Trickreiches zu machen. Das hat auch seine Erotik. Die Aggressivität, auf die das Zitat abzielt, spielt bei uns nicht die dominante Rolle. Es gibt halt unterschiedliche Auffassungen vom Fußballspiel.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel die norwegischen Kickerinnen. Die spielen sehr britisch und körperbetont – hohe Bälle, viele Luftzweikämpfe. Aber das liegt bestimmt nicht daran, daß die männliche Hormone geschluckt haben.
Wie erklären Sie sich das große Zuschauerinteresse in den USA. Im Vorverkauf sind fast eine halbe Million Tickets weggegangen?
Die haben ein absolut strategisches Denken im Marketingbereich.
Nur das?
Auch eine andere Einstellung zum Frauensport. Fußball ist dort ein Frauensport. Die USA waren Olympiasieger, sind jetzt Favoriten, das kurbelt den Absatz an.
Wollen Sie und Ihr Team Weltmeisterinnen werden?
Unsere Mannschaft hat das Motto: Never claim for second place. Was herauskommt, wird sich zeigen, aber wir trainieren, um Erster zu werden.
Welche Mannschaft könnte das verhindern?
Haushoher Favorit ist die USA. In der Vorrunde spielen wir gegen Brasilien, Italien und Mexiko. Italien ist Vize-Europameister. Im Viertel- oder Halbfinale würden wir auf die USA treffen. Wenn wir einen guten Tag erwischen, wären die auch schlagbar. Aber die Chancen stehen 30:70.
Deutscher Frauenfußball ist offensiv und erfolgreich. Warum?
Gerade deswegen. Bei uns ist das Spiel mit drei Spitzen sehr ausgeprägt. Bei den Männern kommen sie langsam drauf. Wir haben in jedem Spiel sehr viele Torchancen, nur müssen wir noch besser treffen.
Warum sind im Frauenfußball nicht auch die Nationen vorn, die bei den Männer das Feld anführen? Ist das an eine liberale Gesellschaft gebunden?
Das hängt sicher damit zusammen. Aber andere Nationen holen jetzt auf. Die skandinavischen Länder hatten am Anfang einen Vorsprung, mittlerweile sind Italien und Deutschland in Europa mit führend. Und in den USA liegt es daran, daß Fußball einfach ein Sport für Frauen oder Jugendliche ist. Allein zehn Millionen Mädchen spielen dort in den Schulen. Wenn man in Deutschland ein Mädchen fragt, ob es sich für Fußball interessiert, dann antwortet jedes zweite mit „Ja“, aber das Angebot ist einfach nicht da.
Frauenfußball ist in Deutschland noch eine junge Sportart.
Ja, das lief hier am Anfang alles etwas träge. Mittlerweile stellt uns der DFB ein ziemlich hohes Budget zur Verfügung.
Wieviel?
Insgesamt drei Millionen Mark pro Jahr.
Haben Sie auch schon mal Männer trainiert?
Nein.
Haben Sie es vor?
Nein.
Warum nicht?
Weil das hier momentan mein Traumjob ist. Ich glaube, daß ich noch sehr lange Frauentrainerin sein werde, weil es mir riesigen Spaß macht. Interview: Markus Völker
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