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„Kuhhandel“ noch nicht vom Eis

■  Bei der gestrigen Debatte zum Planwerk Innenstadt forderte die CDU Nachbesserungen der „Horrorvision“. Auch Grüne und PDS kritisierten Strieder-Klemann-Kompromiß

Die neue Einigkeit währte nur kurz. Gerade zwei Wochen ist es her, da präsentierten die Senatoren für Stadtentwicklung und Verkehr, Peter Strieder (SPD) und Jürgen Klemann (CDU), in trauter Eintracht die abgespeckte Version des „Planwerks Innenstadt“. Strieder hatte seine Visionen für die künftige Bebauung des Berliner Stadtzentrums deutlich abgespeckt, um dem CDU-Senator zu gefallen – und sich damit den Unmut der Grünen zugezogen, die die Pläne ursprünglich unterstützt hatten.

Doch der CDU, das wurde gestern im Abgeordnetenhaus deutlich, genügen Strieders Zugeständnisse nicht. „Verkehrspolitisch“, sagte der Abgeordnete Alexander Kaczmarek, sei das Planwerk noch immer eine „Horrorvision“. Die Wiederherstellung früherer Stadtstrukturen sei nicht nur „zutiefst reaktionär“, sie widerspreche auch den „Grundbedürfnissen der Mobilität“. Zwar habe Strieder im Fall der Leipziger Straße seine „ideologische Blokkade“ aufgegeben und die Rückbaupläne eingeschränkt. Doch Kaczmarek genügt das nicht. Er will jetzt alle Ost-West-Verbindungen auf einmal, die bislang nur als Alternativen diskutiert wurden. Durch die Dorotheenstraße, das Brandenburger Tor, die Behrenstraße und die Französische Straße sollen sich die Blechlawinen gleichzeitig ergießen. Verkehrspolitisch gebe es „erheblichen Nachbesserungsbedarf“, das Planwerk sei „noch nicht in Sack und Tüten“.

Aber auch der Unmut der Bündnisgrünen brach über Strieder herein. Als „Ergebnis eines schnöden Kuhhandels“ bezeichnete die Abgeordnete Rita Keil den Strieder-Klemann-Kompromiß. Die Verlängerung der Französischen Straße durch die Ministergärten, der Abriß des denkmalgeschützten Schimmelpfeng-Hauses über der Kantstraße, die Pläne für den Bau des Innenstadtrings – all das zeuge von einer „Verantwortungslosigkeit gegenüber der Stadt“. Die geplante städtebauliche Verdichtung werde die Innenstadt nicht attraktiver machen, sondern die jetzigen Bewohner verdrängen. In dieses Horn stieß auch die PDS. Nicht „stadtpolitische Vernunft“ habe die Pläne zur Bebauung etwa der Fischerinsel diktiert, sondern „platte Verwertungslogik“. Strieder dagegen wollte nicht verstehen, warum den Grünen der Neubau von 23.000 Wohnungen zu weit gehe – wo sie doch mit dem ursprünglichen Plan einverstanden waren, der 60.000 Wohnungen vorsah. Der Senator verteidigte sein Ziel, den Anteil des Wohneigentums zu erhöhen. Gerade um die Verdrängung der ansässigen Bevölkerung zu vermeiden, wolle er „neue Menschen in neuen Wohnungen“ ansiedeln. Es gehe darum, die „Wunden des staatssozialistischen Städtebaus und der Moderne“ zu heilen. Das Planwerk sei „eine Strategie der Reurbanisierung und Revitalisierung, wie sie in vielen europäischen Städten derzeit gesucht wird“. Ralph Bollmann

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