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Der Hund soll zum Knochen gehen

■  Auf einer neuen Messe soll die Welt Geschmack am deutschen Fernsehprogramm finden

Wenn man Helmut Thoma glauben darf, dann werden deutsche TV-Bosse immer wieder gedemütigt, wenn sie neues Programm brauchen. Da sei man der zweitgrößte Fernsehmarkt der Welt, erzählt der ehemalige RTL-Chef kopfschüttelnd, und trage Jahr um Jahr Milliarden nach Hollywood; aber um neue Serien und Filme zu kaufen, müßten deutsche Sendervertreter in Amerika bei den Majors an die Tür klopfen.

Den Zustand will Thoma beseitigen. Seit einigen Monaten ist er Medienberater des NRW-Regierungschefs Wolfgang Clement (SPD). Und dessen teure Medienstandortaktivitäten sollen wieder Schwung durch Thomas neues Projekt bekommen: eine Fernsehprogrammmesse in Köln, die schon im nächsten Juni erstmals stattfinden soll – auch „weil die Bayern so etwas noch nicht machen“, wie Hans-Gert Prodoehl aus Clements Staatskanzlei am Rand anmerkt. Es gibt zwar im Herbst und Frühjahr Messen in Cannes und eine in Los Angeles, doch deren Termine lägen viel zu ungünstig, behauptet Thoma.

In Köln könnten die US-Verkäufer ihre Ware den deutschen Einkäufern direkt präsentieren. Und die sind anspruchsvoller geworden: „Neunzig Prozent“ der Fernsehfiktion seien inzwischen einheimische Ware, sagt Thoma, und die derzeitige US-Produktion biete immer weniger, was hierzulande vermittelbar sei: „Die machen nur noch Sitcoms.“ Angesichts dessen müßten sich die US-Studios schon ein wenig bemühen.

Andererseits hat die derzeitige Konjunktur für Eigenproduktionen den Sendern Mut gemacht, ihre Ware endlich vermehrt ins Ausland zu verkaufen – auch wenn ein synchronisierter „Kommissar Rex“ in den USA noch undenkbar sei, wie Thoma einräumt. Deshalb soll die Messe vor allem ein Platz für die deutschsprachigen Sender sein, wo sie ihre Produkte ins Ausland verticken. „Das ist endlich nötig“, sagt Lutz Hachmeister, „im Sinne des deutschen Fernsehmarktes.“ Hachmeister hat mit Clements Unterstützung das TV-Festival „Cologne Conference“ aufgebaut, unter dessen Dach die neue Messe „organisch wachsen“ soll. Einen Markt für eigene Produkte machen bislang nur ARD und ZDF, und das mit mäßigem Erfolg. ARD und ZDF müßten neben den großen Privatsendern dabeisein. Thoma hat bereits mit Leo Kirch und mit WDR-Intendant Fritz Pleitgen gesprochen, Hachmeister will demnächst mit ZDF-Chef Dieter Stolte sprechen. Manch Programmhändler ist bislang skeptisch: Ob wir unsere Programme in Cannes, L.A. oder Köln kaufen, ist für die Programme unerheblich“, meint Wolfgang Jurgan von der ARD-Einkaufsfirma Degeto. „Es gibt ja schon sehr viele Messen“, stöhnt ebenfalls abwartend Johannes Schmitz von der Kirch-Gruppe.

Am Ende geht es um Geld: Eine Anschubfinanzierung für den Marktplatz sei wohl „kein Problem“, sagt Norbert Schneider von der NRW-Medienanstalt LfR, die von einem Rundfunkgebührenanteil lebt. Der Mann aus der Staatskanzlei guckt zustimmend. lm

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