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Antimachopädagogik

■ Kleine Stehpisser konsequent bekämpfen! Professorin aus Oldenburg zeigt Müttern, wie sie ihrem Sohn den Macho austreiben / Toll: sogar mit einem Machofrühtest!

Ein Organ hat er! In der Klasse mischt er bei den Alphamännchen mit. Mädchen – no comment. Hausarbeit haßt er, dafür fällt er lieber zweimal am Tag in den Bach hinterm Haus. Hat er Kummer, muß man ihm die Würmer aus der Nase ziehen. Wertvolle Musik oder Literatur? Pah, lieber Antenne hören und Micky Maus lesen und nachmittags am Computer ein paar Monster wegpusten! Das ist er, der Sohn, und auch wenn die Eltern ein paar Einwände haben, was Ausdrucksweise, Respekt gegenüber der Mutter und Sozialverhalten angeht – er ist ihr ganzer Stolz.

Leider, liebe Eltern, ist dieser Sohn durchgefallen. Im Machofrühtest. Diesen Test hat Astrid Kaiser für den Ratgeber „Mein Sohn soll kein Macho werden“ entwickelt. Sie ist Pädagogikprofessorin in Oldenburg – und Mutter zweier Söhne. Der Machofrühtest soll helfen, frühzeitig „Warnsignale“ zu erkennen, wenn ein Junge sich in die „Machorichtung“ entwickelt. Man achte z.B. auf das Wörtchen cool. Warnsignal! Jungs, die so reden, sind von Gefühlskälte bedroht – und am Ende steht der Hooligan.

Frau Professor hat ein belangloses Buch über ein belangreiches Thema geschrieben. Der Weg vom XX-Embryo, dessen Geschlecht schon das Ultraschallfoto dokumentiert, bis zum halbwegs fertigen Mann ist voller Gefahren und krisenhaft. Der Junge muß sich einen Weg bahnen, vorbei an allerlei Rollenangeboten und nahegelegten Verhaltensmustern. Papa oder die Helden aus der Glotze stehen bereit oder der „unmögliche“ (sagt Mama) Onkel aus der Großstadt oder Frank Rost, und dann könnte man auch so sein wie man sich fühlt, aber dann hieße man Muttersöhnchen und Weichei. Da muß man sich ordentlich durchschlagen, und mit etwas Glück stehen zwei Eltern bereit, dem Kleinen den Rücken zu stärken.

Doch Astrid Kaiser plagen „Schreckensvisionen“: daß aus dem Balg ein Monster wird bzw. ein „Pascha oder gewaltbereiter Macho“, ein „wilder Herrscher“, ein Täter und Frauenhasser. Ihr Ratgeber ist ein detaillierter Anweisungskatalog: Erziehungsfehler – Dingfestmachen des Fehlentwickelten – Korrekturhinweise. Der früheste „Fehler“ wäre etwa, die Frage zu beantworten, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. „Beteiligen Sie sich nicht an diesem Rätselraten um das Geschlecht eines Ungeborenen, denn dabei schwingen immer überholte Rollenvorstellungen mit.“ Zur Beachtung: „Ihr Sohn ist ein Mensch und kein Rollenträger!“ Und auch das Baby sollte möglichst lange ein Neutrum bleiben: „Wenn Sie mit anderen über ihr Kind reden, dann nennen Sie es neutral: das Baby, das Kleine, das Kind, unser Jüngstes.“ Leider mischen Väter mit, andere Männer und schließlich die Welt. Der Ärger beginnt. Jetzt heißt es: gegenhalten!

Sohn will nicht im Haushalt helfen? Halt! „Hier muß ein striktes Verursacherprinzip herrschen.“ Doch zur Hausarbeit gehören nicht nur Putzen und Kochen, sondern auch „das Gefühl für ein kultiviertes Zuhause, ein schön gestaltetes Wohnzimmer, Dekor, Blumen- oder Fensterschmuck.“ Der Sohn spricht gern laut? Zertritt Pflanzen? „Musische Anregungen prallen an ihm ab?“ Voll auf dem Machotrip also? Einschreiten! Rollenspiele spielen: „Du bist jetzt ein Storchenvater und hütest die Eier im Nest! Lassen Sie ihn schöne Dinge erleben, wie harmonische Klänge, Naturbilder, ausgedehnte Spaziergänge und Bummeleien in der Natur.“ Sagt der Flegel: „Ich will!“ – basta! „Darf ich bitte...“ sei seine Rede. („Ich will“-sagen lernt er dann später in der Therapie.). Und Spielzeugkontrolle! Bestärken die Spielsachen „die alten Rollenklischees“? Hat der Lümmel „die Gelegenheit, beim Puppenspiel liebevollen Umgang einzuüben“? Und – jessemarie! – pißt das Machoferkel im Stehen??? „Es sollte für Ihren Sohn eine Selbstverständlichkeit sein, sich zu setzen oder das Putzen der Toilette zu seinen Aufgaben zu zählen. Seien Sie in diesem Punkt sehr konsequent, auch wenn Ihr Sohn sich dagegen wehrt.“

Gut: statt mit dem Jungen zu toben, ihn zu massieren („beugt Gewalttätigkeit vor“). Prima Zeichen: wenn der Knabe zur Musik tanzt, gern mit Eltern schmust, den Tisch immer ordentlich gedeckt haben möchte, Streit schlichtet und Angst zeigt. Dann ist der Feldzug schon halb gewonnen.

Der Quargel wendet sich übrigens ausdrücklich an Mütter und ist ein schönes Beispiel für den unbeholfenen nachfeministischen Versuch, an den Jungs zu exekutieren, was bei den Männern fehlschlug.

Gottlob ist die Macht der Pädagogik begrenzt. Und Kinder haben meist einen erstaunlich eigenen Kopf.

Burkhard Straßmann

Mehr über die angehenden Monster in: Astrid Kaiser, „Mein Sohn soll kein Macho werden – Fehlentwicklungen bei der Erziehung von Söhnen vermeiden. Wichtige Erziehungsgrundsätze und Praxistips“. Erschienen im Südwest Verlag, München 1999, 19,90 Mark.

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