Schiefe Konzepte

■ Professionalität allein reicht nicht: die Vokalkünstlerinnen Maria João und Greetje Bijma auf der Hammoniale

Daß die menschliche Stimme das schönste und vielseitigste Instrument überhaupt ist, bewiesen bei der Hammoniale an zwei Abenden hintereinander zwei Sängerinnen. Nein, Sängerinnen ist untertrieben. Beide Frauen, die schon lange und erfolgreich im Musikgeschäft dabei sind, sind Vokalkünstlerinnen. Sie hauchen und gurren, zwitschern und hecheln, vibrieren und hyperventilieren. Die portugiesische Jazzvokalistin Maria Joao treibt einem durch ihre überirdisch schöne Stimme Tränen in die Augen, und die Niederländerin Greetje Bijma steht ihr im stimmlichen Ausdrucksvermögen nicht nach. Und trotzdem: es hakt bei beiden Veranstaltungen.

Maria João ist keine edle Diva, die allein im Rampenlicht stehen will. Ein sympathischer Zug, doch bei ihrem Konzert unter dem Titel „Chao“ waren es der Mitstreiter zuviele. Dem achtköpfigen Vokalensemble Adufeiras de Monsanto überließ sie anfangs allein die Bühne. Für viele, viel zu viele Lieder. Mag ja sein, daß die Frauen aus dem „portugiesischsten Dorf Portugals“ stammen und ihre einfach strukturierten Lieder wie ihre biederen Kostüme eine lebendige Tradition widerspiegeln – ihr Gesangsniveau reicht jedenfalls höchstens für den Haus- und Dorfgebrauch.

Artig schwenken die Landfrauen Stoffpüppchen hin und her und warten auf den Einsatz der Chorleiterin. Das wirkt alles authentisch und sympathisch, doch warum ein hochkarätiges Festival einem mittalmäßigen Laienchor derart breiten Raum verschafft, bleibt ein Rätsel. Political Correctness? Musikalisch jedenfalls eine Zumutung.

So ging ein hörbares Aufatmen durch die Reihen, als endlich Maria João im seidenschönen Gewand und eleganten Turban erschien. Mit ihrer hellen, glasklaren Stimme verzaubert sie augenblicklich – dazu ihre ganz aus dem Innersten fließenden Bewegungen und ihr strahlendes Lächeln: Versöhnt!

Wenn sie, unterstützt vom Pianisten und Komponisten Mario Laginha und dem Perkussionisten Helge Norbakken – beides exzellente Musiker – mit den Landfrauen in ein Miteinander statt ein Nacheinander tritt, blüht auch der Chor, befreit vom Solistenstatus, sichtlich auf. Folklore meets Jazz – dieses ein bißchen aufgestülpt wirkende Konzept geht, wenn überhaupt, erst in den letzten Minuten auf.

Auch Greetje Bijmans Soloprogramm Lyrics and Songs krankt am schiefen Konzept – trotz hoher musikalischer Qualität. Der Mix aus Gedichtrezitationen und Liedern bleibt angestrengt, Gedichte von Salman Rushdie, W.B. Yeats oder Federica Garcia Lorca wirken wie abgeschnitten vom Gesangspart. Professionalität allein reicht eben auch nicht aus.

Karin Liebe